07 - Asche zu Asche
das recht. Sie teilten ihren Koks mit mir und dafür teilten sie sich mich. Es war ein Arrangement, bei dem keiner zu kurz kam.
Am Ende unserer ersten gemeinsamen Woche wollten wir unser siebentägiges Jubiläum feiern. Wir hatten es uns mit drei Gramm Koks und einem halben Liter Körperöl auf dem Boden bequem gemacht, als das Telegramm kam.
Ich las es nicht gleich. Ich sah zu, wie Barry eine Rasierklinge durch das Kokain zog, und meine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf fünf Worte: Wie lang dauert es noch?
Clark ging an die Tür. Er brachte das Telegramm ins Wohnzimmer und sagte: »Für dich, Liv«, als er es mir in den Schoß warf. Ich zog meinen Pulli und dann meine Jeans aus. »Willst du's nicht lesen?« fragte er.
»Später«, sagte ich.
Er goß Öl in seine offene Hand und fing an. Ich schloß meine Augen und überließ mich dem Genuß der Massage, erst an Armen und Schultern, dann an Busen und Oberschenkeln. Ich lächelte vor mich hin und hörte dem Klick, Klick von Barrys Rasierklinge zu, während er das Zauberpulver bereitete. Als er fertig war, rief er lachend: »Die Spiele sind hiermit eröffnet.«
Ich vergaß das Telegramm bis zum nächsten Morgen, als ich benebelt und mit dem Geschmack aufgelösten Aspirins im Mund erwachte. Clark, der immer als erster wieder auf den Beinen war, rasierte sich gerade, um sich danach zu einem weiteren Arbeitstag ins Zentrum finanzieller Macht in der City zu begeben. Barry kauerte immer noch völlig weggetreten da, wo wir ihn liegengelassen hatten, halb auf und halb neben dem Sofa. Er lag auf dem Bauch, seine Pobacken sahen aus wie zwei kleine rosa Wecken, und seine Finger zuckten von Zeit zu Zeit, als wollte er im Traum irgend etwas zu fassen bekommen.
Ich schlurfte ins Wohnzimmer und schlug ihm auf den Hintern, doch er wachte nicht auf. Clark bat: »Der wird's heute nicht packen. Kannst du ihn wenigstens so weit wach machen, daß er telefoniert?«
Ich stieß Barry mehrmals mit dem Fuß an. Er stöhnte. Ich stieß noch einmal zu. Er drückte seinen Kopf tiefer ins Sofa.
»Nein«, sagte ich zu Clark.
»Kannst du dich als seine Schwester ausgeben? Am Telefon, meine ich.«
»Wieso? Erzählt er, daß er mit seiner Schwester zusammenlebt?«
»Er hat bis jetzt mit ihr zusammengewohnt. Und es wäre einfacher, wenn du -«
»Scheiße. Okay.« Ich rief an. Die Grippe, erklärte ich. Barry habe die ganze Nacht wachgelegen und gelitten. Er sei eben erst eingeschlafen. »Erledigt«, sagte ich, als ich aufgelegt hatte.
Clark nickte. Er zog seinen Schlips gerade, schien jedoch zu zögern und sah mich scharf an. »Liv«, meinte er schließlich.
»Wegen gestern nacht.« Er hatte sein Haar auf eine Art an den Kopf geklatscht, die mir nicht gefiel. Ich hob die Hand, um es zu zerzausen, doch er neigte den Kopf zur Seite und wiederholte:
»Wegen gestern nacht.«
»Was denn? Hast du nicht genug bekommen? Möchtest du mehr? Jetzt?«
»Mir wär's lieber, du würdest Barry nichts sagen. Okay?«
Ich runzelte die Stirn, »Worüber?«
»Sag überhaupt nichts zu ihm. Wir bereden das später.« Er sah auf seine Uhr, eine Rolex, das Geschenk seiner stolzen Mama nach seinem Abschluß an der London School of Economics. »Ich muß los. Ich hab um halb zehn eine Besprechung.«
Ich trat ihm in den Weg. Ich mochte den Menschen nicht, zu dem Clark wurde, wenn er nicht bekifft war, und heute mochte ich ihn weniger denn je. »Du gehst erst, wenn du mir gesagt hast, was los ist. Was soll ich Barry nicht sagen? Und warum soll ich nichts sagen?«
Er seufzte. »Daß wir zwei es allein gemacht haben. Gestern nacht, Liv. Du weißt doch genau, was ich meine.«
»Na und? Wen interessiert das schon? Er war doch total weggetreten. Der hätte nicht mal gekonnt, wenn er gewollt hätte.«
»Das weiß ich, aber darum geht es nicht.« Er trat von einem Fuß auf den anderen. »Halt einfach die Klappe. Wir haben eine Abmachung, er und ich. Ich möchte da keinen Sand ins Getriebe streuen.«
»Was für eine Abmachung?«
»Das ist doch nicht wichtig. Ich kann das jetzt sowieso nicht erklären.«
Ich versperrte ihm immer noch den Weg. »Ich würde dir aber raten, es mir zu erklären. Wenn du rechtzeitig zu deiner Besprechung kommen willst, meine ich.«
Er seufzte wieder und fluchte leise.
»Was für eine Abmachung, Clark?«
»Na schön. Bevor wir mit dir zusammengezogen sind, haben wir ausgemacht, daß wir niemals -« Er räusperte sich. »Wir haben ausgemacht, daß nie einer ohne den anderen
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