07 - Asche zu Asche
Schlips getreten, Inspector«, entgegnete sie ruhig. »Ich an Ihrer Stelle würde genauso handeln.«
»Ich kann mir vorstellen, daß Sie den Fall lieber allein bearbeiten würden.«
»Es gibt vieles, was ich lieber hätte, aber nie bekommen werde.«
»Sie sind viel eher bereit, sich abzufinden, als ich.« Lynley trat zu dem schmalen Bücherregal und begann, die Bände herauszunehmen und einen nach dem anderen zu öffnen.
»Ich habe einen interessanten Bericht von Sergeant Coffman bekommen, die Mrs. Fleming hergebracht hat, um den Leichnam zu identifizieren«, bemerkte Isabelle Ardery, und während Lynley einen kleinen Sekretär öffnete und sich die Briefe, Broschüren und Dokumente darin ansah, fügte sie in geduldigem Ton hinzu: »Inspector, wir haben das gesamte Inventar des Hauses aufgenommen. Ich gebe Ihnen gern eine Liste.« Als Lynley den Kopf hob und sie ansah, sagte sie mit einem Höchstmaß professioneller Sachlichkeit, das er nur bewundern konnte:
»Das würde vielleicht Zeit sparen. Unsere Spurensicherung ist für ihre Gründlichkeit bekannt.«
Er war sich im klaren darüber, wieviel Disziplin es sie kostete, ihre Gefühle zu beherrschen und ihm, obwohl sie zweifellos immer ärgerlicher wurde, ruhig zuzusehen, wie er genau das tat, was sie bereits von der Spurensicherung hatte erledigen lassen.
»Reiner Reflex«, sagte er. »Wahrscheinlich hebe ich gleich noch den Teppich hoch.« Mit einem letzten Blick sah er sich im Zimmer um, registrierte Bilder in massiven goldenen Rahmen und einen offenen Kamin, der so groß war wie der im Eßzimmer. Er untersuchte ihn genauer. Die Abzugklappe war geschlossen.
»Im Eßzimmer auch«, bemerkte Isabelle Ardery.
»Was?«
»Die Zugklappe. Im Kamin im Eßzimmer war sie auch geschlossen. Das haben Sie doch überprüft, nicht wahr?«
»Spricht für Mord«, sagte Lynley.
»Selbstmord schließen Sie aus?«
»Es gibt nicht ein einziges Indiz dafür. Und Fleming hat nicht geraucht.« Er zog ein wenig den Kopf ein, als er durch die niedrige Tür aus dem Zimmer ging. Isabelle Ardery folgte ihm auf die Terrasse hinaus. »Was hat Sergeant Coffman Ihnen berichtet?« fragte Lynley endlich.
»Sie hat nicht eine einzige angemessene Frage gestellt.«
»Mrs. Fleming?«
»Sie bestand darauf, als Mrs. Cooper angesprochen zu werden, nicht als Mrs. Fleming. Als sie den Leichnam sah, wollte sie wissen, weshalb er so rot sei. Nachdem sie gehört hatte, daß das Kohlenmonoxid daran schuld war, hat sie keine Frage mehr gestellt. Die meisten Leute denken doch sofort an Autoabgase, wenn sie Kohlenmonoxid hören, nicht wahr? Selbstmord in einer geschlossenen Garage bei laufendem Motor. Aber auch wenn sie so etwas vermuten, fragen sie. Wo? Wie? Warum? Wann? Hat er einen Abschiedsbrief hinterlassen? Sie hat überhaupt nichts gefragt. Sie hat sich den Leichnam angesehen, bestätigt, daß es sich um Fleming handelte, und Sergeant Coffman gebeten, ihr doch bitte eine Packung Embassy zu besorgen. Das war alles.«
Lynley ließ seinen Blick über den Garten schweifen. Jenseits lag noch eine Koppel, und auf der anderen Seite der Koppel leuchtete das Rapsfeld, als wollte es die Sonne spiegeln. »Soviel ich weiß, lebten die beiden seit Jahren getrennt. Vielleicht hat sie das mürbe gemacht. Möglicherweise war sie an einem Punkt angelangt, wo Fleming sie nicht mehr interessierte. Wozu dann noch Fragen stellen?«
»Die wenigsten Frauen bringen ihren früheren Ehemännern solch eine Gleichgültigkeit entgegen, Inspector. Erst recht nicht, wenn Kinder da sind.«
Er sah sie an. Ihr Gesicht hatte sich mit einer feinen Röte überzogen, die auf ihren Wangenknochen zu glühen schien.
»Akzeptiert«, sagte er. »Aber vielleicht war der Schock daran schuld, daß sie nichts gefragt hat.«
»Akzeptiert«, erwiderte sie ihrerseits. »Aber den Eindruck hatte Sergeant Coffman nicht. Sie war schon früher dabei, wenn Ehefrauen ihre Männer identifizieren mußten. Sie hatte den Eindruck, daß irgendwas nicht stimmte.«
»Verallgemeinerungen sind nutzlos«, stellte Lynley fest.
»Schlimmer noch, sie sind gefährlich.«
»Danke. Dessen bin ich mir durchaus bewußt. Aber wenn die Verallgemeinerung mit Fakten und dem gegebenen Beweismaterial einhergeht, dann, denke ich, werden Sie mit mir der Meinung sein, daß diese Verallgemeinerung näher in Augenschein genommen werden sollte.«
Lynley registrierte ihre Haltung: die Arme immer noch verschränkt. Er registrierte den gleichmütigen Ton ihrer Stimme und
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