07 - Old Surehand I
auf ein gleiches Durcheinander hoffen, das mir noch bessere Gelegenheit zum unbemerkten Verschwinden geben würde. Ich blieb also noch länger im Wasser oder vielmehr im Schlamm liegen.
Der Häuptling schien erzürnt darüber zu sein, daß der Alte sich eingemischt hatte, denn er sagte jetzt, als die jungen Krieger fort waren, zu ihm:
„Hat mein Bruder nicht bedacht, daß es die Würde des Anführers kränken muß, wenn ein junger Mann gegen ihn in Schutz genommen wird?“
Der Alte antwortete:
„Die Würde eines Häuptlings wird am meisten dann gekränkt, wenn er gegen dieselbe handelt. Wir alle glauben, daß Old Shatterhand sein Wort hält; nur du allein bist von dem Gegenteil überzeugt!“
„Weil ich diesen weißen Hund kenne.“
„Wir kennen ihn auch. Auf seiner Zunge hat noch niemals eine Lüge gewohnt.“
„Ja; aber diese Zunge weiß so klug zu sprechen wie keine andre. Er ist das ehrlichste der Bleichgesichter; doch wenn er überlistet werden soll, so ist er auch der listigste aller Füchse, und seine Zunge gleicht dem Morgengrauen, auf welches Sonnenschein, aber auch böses Wetter folgen kann. Er lügt nicht, das ist wahr; was er verspricht, das hält er; aber genau so, wie er es meint, nicht, wie man es wünscht. Die Worte, die er zum Feind redet, sind wie die Pulverkörner, welche scharf abgewogen werden müssen, bevor man sie in den Lauf des Gewehrs schüttet.“
„So meint Vupa Umugi, daß sein Versprechen, unsern beiden Kriegern nicht nachzuspüren, wohin sie reiten, auch anders ausgelegt werden könne!“
„Nein. Er hat nicht nachspüren wollen und wird also nicht spüren; aber er hätte dieses Versprechen ganz gewiß nicht gegeben, wenn er nicht einen andern Weg wüßte, es zu erfahren.“
„Es gibt keinen andern!“
„Das denkt mein alter Bruder; ich aber denke es nicht, obgleich ich selbst auch keinen weiß. Wie oft hat man von Old Shatterhand erzählt, daß er alles weiß, was er wissen will. Ob er mit dem guten oder mit dem bösen Manitou (Gott) im Bund seht, der ihm alles sagt? Ich behaupte, er weiß ganz genau, daß wir hie am Saskuan-kui lagern.“
„Das ist nicht möglich, denn niemand hat es ihm mitgeteilt. Aber selbst wenn er es wüßte, ist das noch kein Grund anzunehmen, daß er hierher kommen werde.“
„Er will den Gefangenen befreien.“
„Kennt er ihn?“
„Ich weiß es nicht.“
„Und wenn er ihn kennt, liebt er ihn so, daß er sich in die Gefahr begibt, für ihn von uns getötet zu werden?“
„Er nimmt sich jedes Bleichgesichts an!“
„Auch dann, wenn er nur elf Mann gegen hundertfünfzig Krieger zu setzen hat?“
„Er zählt die Feinde nicht, und braucht sie nicht zu zählen, denn er hat eine Zauberflinte, mit welcher er ohne Aufhören schießen kann. Und weiß mein alter Bruder nicht, daß er trotzdem gern den Kampf vermeidet, nicht aus Furcht, sondern weil er nicht gern das Blut eines Menschen vergießt? Dann greift er zur List, und seine Verschlagenheit ist fast noch mehr zu fürchten als sein Zaubergewehr. Er wird kommen, nicht um mit uns zu kämpfen, sondern um uns den Gefangenen mit List zu entreißen.“
Der Alte wurde nachdenklich. Er wiegte den grauen Kopf ernst und bedächtig hin und her und sagte nach einer Weile:
„Die Worte Vupa Umugis können meine Gedanken nicht anders machen; aber wenn das Beil des Krieges ausgegraben ist, soll man alles, was sonst nur einmal überlegt wird, zehnmal überlegen und darf nicht das Gute, sondern nur das Böse erwarten. Ich sage, Old Shatterhand kommt nicht; du sagst, er komme. Nehmen wir also an, daß wir ihn zu erwarten haben; um so besser ist es dann, wenn er wegbleibt.“
„Besser? Fürchtet sich mein alter Bruder vor ihm? Ich wünsche sehr, daß er kommt. Wir würden ihn ergreifen und ihm den Marterpfahl errichten, an welchem er mit Old Wabble sterben müßte.“
„Willst du den Wind ergreifen, der dir zwischen den Fingern hindurchweht?“
„Ist Old Shatterhand Luft? Ist er nicht schon mehrmals Gefangener der Comanchen gewesen?“
„Das weiß ich wohl; aber wurde er uns nicht immer wieder aus der Hand geweht?“
„Wenn ich ihn einmal habe, so werde ich ihn festhalten!“
„So mach die Hände auf, wenn er kommt, und sieh zu, wie er dir hineinläuft!“
„Er läuft hinein! Ich weiß sogar die Zeit.“
„Wann?“
„Morgen. Unsre beiden Krieger sind des Nachts von ihm fortgeritten, und er ist gewiß erst am Morgen dort aufgebrochen. Sie haben also einen Vorsprung vor ihm. Da sie
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