07 - Old Surehand I
zusammentraf.
Glücklicherweise trat jetzt ein Umstand ein, der mir sehr zu Hilfe kam. Ich hörte laute Rufe erschallen, und als ich nach der Ursache suchte, sah ich zwei Indianer, die aus dem Gebüsch getreten waren, auf dem Lagerplatz erscheinen. Es waren die beiden Comanchen, die ich gestern abend niedergeschlagen hatte. Der Häuptling hatte sie dem fliehenden Old Wabble nachgeschickt; jetzt kamen sie wieder, und natürlich wollte jedermann wissen, welchen Erfolg sie gehabt hatten. Sie lenkten die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, auch diejenige des Häuptlings. Wenn er ihnen auch nicht entgegenlief, wie die meisten andern taten, so stand er doch auf und drehte sich nach ihnen um. Sein Gesicht und aller Augen waren jetzt vom Wasser abgewendet. Das benutzte ich so schnell, daß ich mich nach kaum einer Minute an der Stelle befand, die ich hatte erreichen wollen. Ich wühlte meinen hellen Körper in dem schlammigen Grund des seichten Ufers ein, legte mich auf die eingebogenen Vorderarme und konnte nun, das Gesicht über Wasser, alles, was vorging, bequem beobachten. Da der Schilfbusch mir auf den Schultern saß, schien er im Wasser zu stehen, und weil es zu beiden Seiten von mir auch Schilf gab, durfte ich mich für jetzt ganz sicher fühlen.
Es war aber auch die höchste Zeit, denn grad als ich die beschriebene Lage eingenommen hatte, waren die beiden Comanchen bis an das Feuer des Häuptlings gekommen, der sie mit den Worten empfing:
„Ich sehe an keinem von euern Gürteln den Skalp dessen, den ihr töten solltet. Seid ihr blind geworden, daß ihr seine Spur verloret? Oder haben eure Pferde die Beine gebrochen, daß ihr ihn nicht einholen konntet?“
Der eine sagte nichts und blickte verlegen zu Boden; der andre war dreister; er sah dem Häuptling frei in das Gesicht und antwortete:
„Wir haben unsre Augen behalten, und die Beine unsrer Pferde sind gesund geblieben.“
„Wo aber ist der Skalp?“
„Er befindet sich noch auf dem Kopf dessen, dem wir ihn nehmen sollten.“
„So ist dieses Bleichgesicht nicht tot?“
„Es lebt noch.“
„Ihr habt es euch also entkommen lassen?“
Seine Augen blitzten drohend, als er das in überlautem, zornigem Ton fragte.
„Es ist uns entgangen“, antwortete der andre, den Blick des Häuptlings ruhig aushaltend.
„So seid ihr lahme Hunde, die man keiner Kröte nachsenden darf, die zu schnell für sie ist! Ich werde euch zurückschicken in die Zelte der alten Weiber, zu denen ihr gehört.“
„Du bist Vupa Umugi, unser Häuptling des Krieges, dessen Befehle wir zu befolgen haben; aber wenn du Befehle erteilst, die nicht auszuführen sind, so darfst du diejenigen nicht beschimpfen, die sich vergeblich Mühe geben. Wir sind keine lahmen Hunde, sondern tapfre, erfahrene Krieger, sonst hättest du uns nicht ausgewählt, dem Bleichgesicht zu folgen. Wir gehen nicht zu den alten Weibern. Steht der Mund über den Ohren? Warum sprichst und urteilst du, ehe du gehört hast, aus welchen Gründen wir den Skalp nicht bringen?“
Das war kühn gesprochen; dieser Mann war sicherlich kein Hasenfuß. Man erzählte sich von den Grausamkeiten Vupa Umugis viele Geschichten; er betätigte diese Eigenschaft wohl nicht bloß gegen Weiße, sondern hatte sich wohl auch oft gegen Stammesgenossen rücksichtslos bewiesen; man achtete ihn als Krieger, aber man liebte ihn nicht; es hatte sich eine Erbitterung gegen ihn angehäuft, welche bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine war, zum Ausbruch kam. Das Verhalten des wackeren Untergebenen war mutig, aber keineswegs verwegen. Ein Indianerhäuptling ist nichts weniger als ein absoluter Herrscher; er wird von dem Stamm gewählt; er behält seine Würde, so lange er sich durch Erfahrung, Klugheit und Kühnheit zu halten weiß, aber er kann in jedem Augenblick durch die ›Versammlung der Alten‹ abgesetzt werden und ist dann weniger, als er vorher war. Vupa Umugi wußte das; ich sah es ihm an, daß ihn der Vorwurf des Kriegers in Wut versetzte; seine Hand zuckte nach dem Gürtel, in dem er das Messer stecken hatte; aber er bezwang sich und sagte in nicht ganz vollständig beherrschtem Ton:
„Du sollst erzählen, und ich werde hören, um dann zu sagen, ob ihr noch zu den Kriegern der Comanchen zu rechnen seid.“
Er setzte sich nieder; die vorhin bei ihm gesessen hatten, nahmen auch wieder Platz, und als dies geschehen war, begann der Comanche, den Verlauf seines Verfolgungsritts zu erzählen. Man hörte ihm zu, bis er zu den Worten
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