07 - Old Surehand I
einzelne Raubanfälle gegeben, deren Urheber ein einziger Mann gewesen und von Fox entdeckt und in der angegebenen Weise bestraft worden war. Daß er der Avenging-Ghost sei, schien außer den damaligen Zeugen niemand zu wissen; sie hatten sein Geheimnis treu bewahrt; ich war an vielen Orten Zuhörer von den phantastischsten Erzählungen über dieses Thema und hörte niemals eine Andeutung darüber machen, an welche Person sich dieses Geisterspiel eigentlich knüpfe.
Als ich Bloody-Fox kennenlernte, stand er noch in den Jünglingsjahren; man kann sich also denken, welch reiche Begabung er besaß, da er schon in einem solchen Alter Eigenschaften und Fähigkeiten zeigte, die selbst einen Mann wie Winnetou in Staunen versetzten. Was konnte und mußte aus ihm werden, wenn er sich in dieser Weise weiter entwickelte!
Es folgten einige Jahre, in denen ich nicht nach Amerika kam. Dann traf ich mich mit Winnetou in den Black-Hills und erfuhr von ihm, daß Bloody-Fox sich wohl befinde und noch keinen Besuch der Comanchen erhalten habe. Wir trennten uns droben am Couteau, um uns nach vier Monaten unten auf der Sierra Madre wieder zusammenzufinden, und man kann sich denken, was es für einen Eindruck auf mich machte, als ich dort den Zettel des Apachen las, daß er Bloody-Fox warnen müsse, weil die Comanchen ihn überfallen wollten.
Es war ihnen während so langer Zeit nicht eingefallen, die Oase aufzusuchen; welchen Grund hatten sie, dies jetzt, und zwar in feindlicher Absicht, zu tun? Ging der Plan von ihnen aus, oder hatte Bloody-Fox durch irgend etwas ihre Rache auf sich gezogen? Es war nutzlos, diese Fragen jetzt auszusprechen; die Antwort mußte mir später ganz von selber kommen.
Wichtiger war die Frage, ob Winnetou direkt nach dem Llano estacado geritten sei oder nicht. Er hatte mir geschrieben, daß er warnen wolle, und wenn es sich nur um eine Warnung handelte, so war anzunehmen, daß er den Weg direkt genommen habe. Aber wie ich den Apachen kannte, begnügte er sich nicht mit einer Warnung, sondern fügte derselben möglichst gleich die Rettung bei, und diese konnte nur darin bestehen, daß er mit einer hinreichenden Apachenschar dem Bloody-Fox zu Hilfe kam. Was nun von beiden hatte er getan? So schwer diese Frage zu sein scheint, so leicht ist sie zu beantworten. Es handelte sich einfach um die Zeit. War sie zu kurz, so ritt Winnetou direkt zu Fox; war sie aber hinreichend, um Hilfe zu holen, so ritt er nach dem Lager seines Stamms, um die nötige Anzahl Krieger zur Stelle zu bringen.
Wie aber konnte Winnetou erfahren, ob er Zeit hatte oder nicht? Ganz einfach so wie ich. Wenn tausend andre es nicht bemerkt hätten, ihm, dem unerreichbaren Meister im Spüren, hatten die Comanchen, die wir am ‚Blauen Wasser‘ aufsuchten, gewiß nicht entgehen können, und wenn es ihm auch nicht möglich gewesen war, sie zu belauschen und dabei zu erfahren, daß sie auf einen Zuzug von weiteren hundert Mann unter dem Häuptling Nale-Masiuv warteten, so hatte er doch sicher aus den ihm geläufigen Anzeichen erkannt, daß sie nicht allzu eilig waren. Er hatte also sehr wahrscheinlich zunächst seinen Stamm aufgesucht.
Vielleicht war dies auch nicht nötig gewesen, sondern er hatte einen Boten gefunden, den er dorthin schicken konnte. Die Apachen hatten auf alle Fälle erfahren, daß von den Comanchen das Beil des Kriegs ausgegraben worden war, und also zu ihrer Sicherheit Späher ausgesandt. War Winnetou einem solchen begegnet, was keineswegs in das Reich der Unmöglichkeit gehörte, so hatte er ihn heimgesandt und war selbst weiter geritten, weil nur er selbst die Lage der Oase kannte.
Meine Vermutungen gingen sogar noch weiter; ich kannte eben meinen Winnetou und wußte, wie umsichtig er zu handeln pflegte. Der Tag meiner Ankunft in der Sierra Madre war ihm bekannt; ich würde seinen Zettel finden und ihm sofort folgen, das sagte er sich. Ich kannte den Weg ebenso wie er; es war ihm also nicht schwer zu bestimmen, in welcher Gegend ich mich zu irgendeiner angegebenen Zeit ungefähr befinden müsse. Wenn er selbst direkt nach dem Llano estacado war, so mußte er dafür sorgen, daß seine Krieger einen zuverlässigen Führer nach der Oase fanden, und dieser Führer konnte nur ich sein. In diesem Fall traf ich ganz bestimmt unterwegs einen Apachen, welcher den Auftrag hatte, auf mich zu warten und mich zu unterrichten. Man wird bald sehen, wie richtig ich Winnetou beurteilt hatte.
Zunächst aber war es noch nicht so weit. Wir
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