07 - Old Surehand I
lagerten noch am Saskuan-kui und warteten auf den Anbruch des Morgens, um mit den Comanchen zu verhandeln. Old Surehand mußte ja alles, was ihm abgenommen worden war, besonders seine Waffen, wiederbekommen; dafür wollten wir Vupa Umugi, ihren gefangenen Häuptling, freigeben.
Wir waren so vorsichtig gewesen, nicht am Ufer zu bleiben, wo die Feinde uns wußten und, von den Büschen gedeckt, leicht überfallen konnten, sondern wir hatten uns ein Stück hinaus auf die Prärie gezogen, weil wir dort nicht beschlichen werden konnten. Dort wurden die Wachablösungen bestimmt, und wer dann schlafen wollte, der konnte schlafen. Es fiel mir nicht ein, bis zum Morgen wach zu bleiben; man wußte nicht, was der nächste Tag für Anstrengungen brachte. Ich freute mich ungemein darauf, Old Surehand bei Tageslicht zu sehen; jetzt war es zu dunkel, ihn so, wie ich gern wollte, zu betrachten. Später gestand er mir, daß er ebenso neugierig auf mich gewesen war. Wir hätten viel, sehr viel miteinander reden können, waren aber beide keine übermäßig redseligen Menschenkinder und wollten schlafen. Eins jedoch mußte ich jetzt schon wissen; darum sagte ich, als er sich neben mir zur Ruhe ausstreckte:
„Erlaubt mir eine Frage, Sir, ehe Ihr die Augen schließt! Ihr habt mit Euerm Ritt in diese Gegend einen bestimmten Plan verfolgt?“
„Ja. Ich wollte zu den Mescalero-Apachen hinunter, um vielleicht Winnetou zu treffen und mit seiner Hilfe dann vielleicht auch Euch kennenzulernen. Es ist ja wahrhaftig eine Schande, so lange schon Westmann zu sein, ohne Winnetou und Old Shatterhand gesehen zu haben!“
„Auch wir kennen Euch noch nicht; das ist ganz dasselbe. Haben aber genug über Euch gehört, Sir. Der zweite Teil Euers Wunschs, mich zu sehen, ist eher erfüllt worden, als Ihr dachtet, und der erste Teil kann befriedigt werden, ohne daß Ihr zu den Mescaleros reitet. Ich bin nämlich auf dem Weg, Winnetou anderswo aufzusuchen.“
„Wo, Sir? Wo ist er jetzt?“
„Im Llano estacado.“
„Alle Wetter, das ist ja herrlich! Mit ihm und Euch im gefährlichen Estacado! Nehmt Ihr mich mit, Sir?“
„Sehr gern, natürlich. Wir werden Euch und Eure Hilfe sehr gut brauchen können. Werde Euch früh erzählen, warum; jetzt müssen wir notwendig schlafen, um Kräfte zu sammeln; will Euch einstweilen nur das sagen, daß es sich um einen Tanz mit den Comanchen handelt.“
„Mit diesen hier oder mit andern?“
„Mit diesen und andern, die noch zu ihnen stoßen. Ihr habt doch gehört, was von ihnen geredet wurde. Haben sie nicht von dem Ziel ihres jetzigen Zugs gesprochen?“
„Ja, aber so leise und vorsichtig, daß ich nichts verstehen konnte. Nehmt mich mit, Sir; nehmt mich mit! Ich freue mich wie ein Kind darauf, mit ihnen quitt darüber zu werden, daß ich mich wie ein Greenhorn von ihnen habe überrumpeln lassen. Was müßt Ihr von mir denken! Ich habe jahrelang gewünscht, Euch kennenzulernen und mich Euch auf irgendeine Weise anschließen zu dürfen, und nun mir dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist es derart geschehen, daß ich mich geradezu schämen muß; th'is clear, wie der alte Wabble sagt!“
„Vom Schämen kann keine Rede sein. Ich bin nur einmal gefangen gewesen, und Winnetou ebenso. Es freut mich außerordentlich, daß es mir erlaubt gewesen ist, Euch einen kleinen Dienst zu erweisen.“
„I beg, Sir! Ein kleiner war es gar nicht; da möchte ich erst hören, was Ihr einen großen nennt! Ich würde viel, sehr viel darum geben, wenn es umgekehrt wäre, nämlich so, daß ich ihn Euch geleistet hätte. Will aber hoffen, daß ich Euch einmal so etwas Ähnliches erweisen kann.“
„Ich nehme es für genossen an und will lieber auf die Passion verzichten, Gefangener der Comanchen sein zu dürfen. Jetzt wollen wir schlafen. Good night, Sir!“
„Good night, Mr. Shatterhand! Werde wahrscheinlich besser schlafen als da drüben auf der Insel, die ich nur verlassen sollte, um zum Martertod geführt zu werden.“
Die Nacht war kühl und meine Kleidung naß, dennoch schlief ich fest bis vier Uhr, wo ich zur letzten Wache geweckt wurde. Als diese fast zu Ende war, begann der Tag zu grauen, und ich hatte bald Licht genug, meinen berühmten Bekannten zu betrachten.
Da lag er jetzt vor mir, ruhig schlafend, ein wahrer Riese von Gestalt. Seine mächtigen Glieder waren ganz in Leder gekleidet, doch so, daß die von der Sonne gebräunte Brust unbedeckt blieb. Sein langes, braunes, seidenweiches Haar lag wie ein Schleier bis
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