07 - Old Surehand I
mich, daß es uns auf eine kleine Zeitversäumnis nicht ankommen darf. Getraut Ihr Euch, diese Spur schnellreitend gut im Auge behalten zu können?“
„Welche Frage! Haltet Ihr mich für blind?“
„So steigt auf, und galoppiert fünf Minuten lang auf ihr zurück! Ich möchte gern die Richtung wissen, ob sie gerade verläuft oder auf dieser immerhin langen Strecke irgendeine Biegung macht.“
„Well, soll gleich geschehen!“
Er schwang sich auf das Pferd und jagte auf der Fährte zurück, der Richtung zu, aus welcher die sechs Reiter gekommen waren. Seine Figur wurde schnell kleiner und immer kleiner, bis sie, obgleich das Terrain vollständig eben war, unsern Augen ganz entschwand. Dann tauchte er als ein sich bewegender Punkt wieder auf, der sich immer mehr vergrößerte, bis er endlich in Lebensgröße wieder bei uns hielt.
„Nun?“ fragte ich ihn.
„Sie geht wie eine Schnur immer geradeaus.“
„Das sagt mir genug. Wißt Ihr, wohin man kommt, wenn man dieser geraden Linie folgt?“
„Nach dem ‚Blauen Wasser‘, vermute ich.“
„Ja, nach dem Saskuan-kui. Der Häuptling Vupa Umugi hat diese sechs Leute als Späher ausgesandt. Wir müssen ihnen schleunigst nach.“
„Warum so schnell? Sie einholen?“
„Ja.“
„Das ist ein Fehler, Sir! Nehmt es mir nicht übel, aber es ist gewiß ein Fehler!“
„Warum?“
„Ihr seid doch kein Indianermörder!“
„Allerdings nicht.“
„Und wollt ihnen dennoch nach? Das widerspricht sich ja. Seht Ihr das nicht ein?“
„Worin liegt der Widerspruch?“
„Ihr wollt kein Mörder sein und wäret doch gezwungen, diese sechs Roten auszulöschen, wenn wir sie einholten. Sie dürfen nicht wissen, daß wir in dieser Gegend sind, was doch verraten würde, wenn auch nur einer von ihnen entkäme. Unsre Force liegt doch darin, daß Vupa Umugi die Überzeugung hegt, wir seien nach Westen geritten!“
„Ihr habt recht und doch nicht recht, Mr. Cutter. Es kommt auf die Umstände an, ob wir uns diesen Kundschaftern zeigen werden oder nicht. Ihr Weg führt genau nach dem Altschese-tschi, dem ‚Kleinen Wald‘, wo ich, wie ich schon vorhin sagte, einen Boten Winnetous vermute. Kommen sie dort vorüber, ohne ihn zu entdecken, so ist es gut; wenn sie ihn aber bemerken, ihn selbst oder eine Spur von ihm, so greifen sie ihn an. Ein Mann gegen sechs Männer; Ihr könnt Euch den Ausgang denken. In diesem Fall ist er entweder tot oder gefangen. Findet das letztere statt, so müssen wir ihn losmachen, schon aus reiner Freundschaft für die Apachen, und sodann auch wegen Winnetous Botschaft, die ich unbedingt hören muß, wenn es nur möglich ist. Da darf es mir auf das Leben von sechs feindlichen Comanchen nicht ankommen. Also vorwärts jetzt, Mesch'schurs!“
Wir stiegen wieder auf und jagten so schnell weiter, wie die Pferde Parkers und Jos Hawleys zu laufen vermochten. Die Kundschafter befanden sich zwei Stunden vor uns; aber sie waren langsam geritten. Wenn sie diese Gangart beibehalten hatten und noch beibehielten, so war es möglich, daß wir sie noch vor dem Altschese-tschi einholten.
Leider aber zeigte es sich, daß die Pferde der beiden Genannten nicht mit den unsern fortkommen konnten; ich bestimmte also, daß Parker und Hawley unsrer Spur möglichst schnell folgen sollten, und ritt mit Old Surehand und dem alten Wabble voran. Von Zeit zu Zeit hielt einer von uns an, um aus den Spuren das Tempo der Reiter zu ersehen, und holte dann die andern beiden wieder ein. Da stellte sich denn bald heraus, daß die Comanchen später viel schneller geritten waren, und so schwand meine Hoffnung mehr und mehr, zur rechten Zeit ein- oder gar zu überholen, was durch einen Halbkreisritt ganz wohl möglich gewesen wäre.
Es verging eine Stunde und dann die zweite. Wir mußten die Pferde zuweilen verschnaufen lassen, indem wir langsamer ritten. Nach wieder einer halben Stunde tauchte vor uns ein dunkler Punkt am Horizont auf. Ich deutete mit der Hand auf ihn und sagte:
„Das ist der ‚Kleine Wald‘, das Ziel unsers Parforceritts. Wollten wir geradeaus reiten, würden wir in einer Viertelstunde dort sein.“
„Das dürfen wir aber nicht“, warnte Old Wabble.
„Nein, denn die Comanchen sind wahrscheinlich nicht weiter geritten, sondern drin geblieben.“
„Wir müssen aber hin! Wie fangen wir das an?“
„Es ist ein Glück, daß ich die Örtlichkeit genau kenne. Kommt rechts nach Süd! Wir müssen einen Bogen reiten.“
Indem wir dies taten, fragte Old
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