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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wabble weiter:
    „Meint Ihr, daß wir auf diese Weise hinankommen, ohne gesehen zu werden?“
    „Ja. Ihr müßt wissen, daß von den ostwärts liegenden Höhen ein Wasser kommt, welches auf der Ebene versiecht, aber später da, wo sich der Boden tiefer senkt, als ein kleiner Weiher wieder zutage tritt. Dieser Weiher hat einen Durchmesser von nur vielleicht fünfzig Schritten, hat aber doch einem Wäldchen das Leben gegeben, dessen Durchmesser wenigstens zehnmal größer ist. Das ist Altschese-tschi, der ‚Kleine Wald‘, dessen westliche und östliche Seite ziemlich licht ist, während er an den beiden andern Seiten so dicht steht, daß man, besonders auf der südlichen, kaum durchzudringen vermag. So war es, als ich mich vor drei Jahren zum letzten Male hier befand, und so wird es wohl auch heute noch sein.“
    „Hm!“ brummte der Alte. „In drei Jahren kann sich viel verändern, was hier, wo es sich um unser Leben handeln kann, außerordentlich wichtig ist!“
    „Wenn eine Veränderung eintrat, so besteht sie wohl nur darin, daß der Wald dichter geworden ist, was uns nicht anders als lieb sein kann. Weil die südliche Seite die bewachsenste ist, so reiten wir in einem Bogen nach ihr. In dem dortigen Gestrüpp nimmt kein Mensch seinen Aufenthalt, und darum glaube ich, daß wir uns da am besten annähern können, ohne gesehen zu werden. Wenn wir nicht die Nacht abwarten wollen, so weiß ich keine andre Weise, das Wäldchen zu erreichen.“
    „Well, so müssen wir es eben versuchen und uns darauf gefaßt machen, bei unsrer holdseligen Ankunft einige weniger holdselige Kugeln zwischen die Rippen oder gar in die Köpfe zu bekommen. Ein Wagehals, der etwas wagen will, der wagt etwas; th'is clear!“
    Old Surehand verhielt sich noch immer schweigend, doch las ich auf seinem Gesicht jene unbedenkliche Entschlossenheit, die vor keiner Gefahr zurückschreckt, wenn nur einigermaßen Aussicht vorhanden ist, sie glücklich zu bestehen. Er kam mir immer mehr wie ein Mann vor, der lieber handelt als spricht, und später zeigte es sich, wie vortrefflich er in dieser Beziehung zu Winnetou paßte.
    Wir waren also nach rechts abgewichen und hielten uns, indem wir einen Halbkreis ritten, immer so weit von dem Wald entfernt, daß er in gleicher scheinbarer Größe vor uns liegen blieb. Als wir uns dann genau südlich von ihm befanden, hielt ich an und nahm mein Fernrohr, welches mir im fernen Westen schon oftmals große Dienste geleistet und sogar das Leben gerettet hatte, aus der Satteltasche, um den Rand des Gehölzes sorgfältig abzusuchen. Ich konnte nichts Verdächtiges bemerken.
    „Seht Ihr etwas, Sir?“ fragte Old Wabble.
    „Nein. Ich kann kein lebendes Wesen, weder Mensch noch Tier, entdecken.“
    „Sieht man uns von dort?“
    „Sonderbare Frage, Sir! Würdet Ihr von hier aus einen dort befindlichen Menschen sehen?“
    „Nein.“
    „Also werden auch wir mit unbewaffnetem Auge nicht zu erkennen sein, und ich glaube nicht, daß die Roten mit Fernrohren versehen sind.“
    „Wird keinem Indsmen einfallen, ein solches Ding bei sich zu führen!“
    „O doch! Winnetou hat stets ein Rohr, und zwar ein ganz ausgezeichnetes, mit. Ich bin der Ansicht, daß wir nun stracks vorwärts reiten. Nicht?“
    „Wenn Ihr nicht anders wollt, dann los! Unvorsichtig aber ist's und bleibt's!“
    Da ließ sich Old Surehand zum ersten Male wieder hören, indem er in ungeduldigem und verweisendem Ton ausrief:
    „Was unvorsichtig! Wenn es keine andre Wahl gibt als das Wasser, so stürzt man sich eben hinein und lernt sofort das Schwimmen. Wenn Ihr Euch fürchtet, alter Wabble, so bleibt hier halten, bis Ihr angewachsen seid; wir aber nehmen das Wäldchen jetzt im Sturm. Go on, Mr. Shatterhand, go on!“
    Er schoß auf seinem Pferd davon, und ich folgte ihm mit gleicher Schnelligkeit. Old Wabble blieb natürlich nicht zurück; er kam hinter mir hergeflogen und wetterte dabei ganz aufgebracht:
    „Ich mich fürchten! Was bilden sich diese beiden jungen Menschen ein! Old Wabble kannte schon keine Furcht, als er noch nicht geboren war, viel weniger dann später. Die jetzige Jugend ist doch zuweilen mit ganz abnormen und unbegreiflichen Ideen behaftet; th'is clear!“
    Es war von ihm ein kühnes Beginnen, uns beide als ‚die jetzige Jugend‘ zu bezeichnen; ich mußte trotz des Ernstes unsrer Lage laut darüber lachen. Er hörte das und rief, noch mehr erzürnt:
    „Was lacht Ihr, Sir! Lacht dann, wenn Ihr mit heiler Haut da vorn im Wald

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