07 Von fremder Hand
Buntglasfenster, und bei jedem Öffnen und Schließen der Tür erklang das melodische Läuten von Glöckchen. Es war wie eine uneinnehmbare Zufluchtsstätte... und es war der einzige Ort, an dem er sich wirklich sicher fühlte.
Es gab Leute, das wusste er wohl, denen das grimmige Aussehen der Kreaturen in Fionas Gemälden Unbehagen bereitete, doch auf ihn hatten sie immer merkwürdig beruhigend gewirkt, so als könnten sie durch eben diese Eigenschaft das Böse fern halten.
Was ihm Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass die Zahl von Fionas Gemälden an den Wänden der Galerie stetig abnahm. Seine anderen Künstler verkauften sich zwar gut, doch es waren Fionas Arbeiten, die das Rückgrat des Unternehmens bildeten, und schon seit Monaten hatte sie nichts mehr hervorgebracht, was sie ihm auszustellen erlaubt hätte. Nicht, dass er diese jüngsten Bilder aufhängen wollte - Gott bewahre! Was war nur in sie gefahren, dass sie ausgerechnet dieses Gesicht malen musste?
Fionas Talent war keiner rationalen Analyse zugänglich - das hatte er jedenfalls immer angenommen. Aber nun fragte er sich, ob da nicht irgendein externer Faktor im Spiel war, irgendeine Veränderung in ihrem gemeinsamen Leben. Oder in Fionas Leben?
Während er aus dem Fenster der Galerie blickte, begann gegenüber die Glocke der Kirche von St. John’s zur Abendmesse zu läuten. Das war für ihn das Zeichen, die Galerie zu schließen. Mechanisch begann Bram aufzuräumen und die Lichter zu löschen. Und dann, während er zu den letzten Schlägen der Glocke die Tür abschloss, fiel es ihm plötzlich ein. Tatsächlich hatte sich im letzten Jahr etwas in Fionas Leben verändert. Sie hatte sich mit Winnie Catesby angefreundet, die ihr anfangs nur helfen wollte, der Trauer über ihre Kinderlosigkeit Ausdruck zu verleihen. War das der Auslöser für Fionas Visionen?
Aber das erklärte noch nicht, warum sie ausgerechnet dieses Kind malte. War es Winnie irgendwie gelungen, ein Fragment der Erinnerung aus Fionas Unterbewusstsein zu lösen? Oder wusste Fiona mehr, als er immer angenommen hatte?
Bram bemerkte, dass er schwitzte, und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Eines war sicher - es musste ihm irgendwie gelingen, Winnies Einmischungen ein Ende zu bereiten, bevor sie alle ruiniert waren.
In der Küche des Dream Café roch es stark nach Kohl, aber das machte Faith nichts aus. Ihre morgendliche Übelkeit schien sich endlich gelegt zu haben, und die Essensdüfte halfen, den allgegenwärtigen Feuchtigkeitsgeruch zu überdecken, der das Lokal durchzog.
Das Café war direkt in den Fuß des Tor hineingebaut, und die Kalksteinwände waren stets mit einer glänzenden Schicht aus Kondenswasser überzogen. Im vorderen Teil standen Tische, während der hintere Bereich in einen kleinen Laden zur Linken und die Küche zur Rechten aufgeteilt war; der Restaurantbereich war durch eine Theke abgetrennt. Nicht, dass sie besonders viele Speisen angeboten hätten - die Karte beschränkte sich auf Suppe, Tee (Kräutertees und andere) und ein vegetarisches Tagesgericht. Faith, die zu Hause höchstens einmal das Teewasser gekocht hatte, stellte sich inzwischen gar nicht so ungeschickt an beim Zubereiten der Suppen und der warmen Gerichte, und an diesem Morgen würde sie alles fertig haben, wenn sie aufmachten. Sie summte vor sich hin, während sie noch ein wenig Paprika über den Blumenkohlauflauf streute, der heute als Tagesgericht im Angebot war, und sie stellte sich vor, was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie das Resultat ihrer Arbeit in der Küche sehen könnte. Aber der Gedanke versetzte ihr nur einen Stich, und das Heimweh trieb ihr heiße Tränen in die Augen.
Es waren fast drei Monate vergangen seit jenem Tag Anfang April, als sie von zu Hause weggelaufen war. Sie hätte nie geglaubt, dass sie ihren gemeinen Bruder und ihre scheußliche Schwester so vermissen könnte - oder ihre Eltern. So oft schon war sie versucht gewesen, wieder zurückzugehen, sich irgendeine Geschichte auszudenken, die sie ihr abkaufen würden - sie würde sagen, es sei ein Junge aus ihrer Klasse gewesen... aber nein, das wäre nicht fair... also dann eben ein Fremder, der Station gemacht hatte auf seiner Pilgerfahrt nach Avalon...
Aber sie wusste instinktiv - damals wie heute -, dass sie mit Lügen nicht durchkommen würde und dass sie genau das von ihr verlangen würden, was sie ihnen nicht bieten konnte - die Wahrheit. So hatte sie
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