070 - Der Galgenbaum im Jenseits
hatten wir überstanden, und jetzt, am Ziel, diese bittere Enttäuschung.
»Vielleicht liegt das Herz auf einem anderen Stein«, sagte ich. »Wir müssen die Höhle durchsuchen.«
Parthos schüttelte unendlich traurig den Kopf. Seine Schultern hingen nach vorn, er wirkte müde und ausgebrannt.
»Das Herz ist nicht mehr hier«, sagte er mit tonloser Stimme. »Irgend jemand hat es gestohlen. Ich habe mir zuviel erhofft, doch nun sehe ich, daß ich meinen geliebten Sohn nie mehr in die Arme schließen kann.«
»Du solltest die Hoffnung nicht so schnell aufgeben, Parthos«, sagte ich, um den gebrochenen Zauberer wieder aufzurichten. »Wir werden das Kristallherz finden. Wenn nicht hier, dann anderswo. Du mußt nur ganz fest daran glauben.«
Er seufzte geplagt. »Bilco ist verloren. Für immer.«
Cinto ging an uns vorbei. Wenn wir schon das Kristallherz nicht mitnehmen konnten, wollte er die Höhle wenigstens nicht ohne den goldenen Dolch verlassen.
In mir brodelte eine heiße Wut. Wir hatten ohnedies viel zuwenig Zeit, und nun auch noch das…
Das Herz zu suchen, würde uns wieder kostbare Zeit kosten. Inzwischen konnte Roxane ihr Leben verlieren. Dann war alles umsonst gewesen…
Zwei Schritte trennten Cinto noch von dem sockelartigen Felsen. Er streckte die Hand nach dem goldenen Dolch aus.
Im selben Moment war die Höhle von einem schrecklichen Gebrüll erfüllt.
»Vorsicht!« schrie Mr. Silver und ging mit dem Höllenschwert in Kampfstellung.
Parthos wich zurück. Er hielt zwar noch sein Schwert in der Hand, aber an einem Kampf konnte er sich nicht mehr beteiligen. Die Enttäuschung hatte ihn zu sehr geschwächt.
»Cinto, komm zurück!« brüllte Mr. Silver, doch der Vernichter hörte nicht auf ihn.
Der Prä-Welt-Ritter wollte nach wie vor den goldenen Dolch haben. Er war entschlossen, ihn sich zu erkämpfen.
»Cinto, mach keinen Unsinn!« rief ihm Mr. Silver zu. Der Ex-Dämon erkannte, was der Prä-Welt-Ritter vorhatte.
Durch das Dunkel der Höhle schob sich ein massiger, unförmiger Körper, der von einer rosigen Haut umspannt war. Ich sah kleine, schwarze Augen, lange, gefährliche Zähne - und unzählige kurze, sich schnell bewegende Beine.
Dieser häßliche Tausendfüßler näherte sich bedrohlich schnell dem Prä-Welt-Ritter. Ich glaubte, auf dem rosigen Schädel Brandflecken zu erkennen, konnte mir aber nicht erklären, wie sie zustandegekommen waren.
Die Bestie riß ihr Maul auf und schleuderte Cinto ein markerschütterndes Gebrüll entgegen. Gleichzeitig schoß eine Feuerlohe aus dem Maul hervor.
Die Flammen rollten über den Boden und erreichten die gepanzerten Beine des Vernichters. So war Cinto nicht kleinzukriegen. Ich wartete jedoch nicht, bis sich das Ungeheuer etwas anderes einfallen ließ, sondern drückte ab.
Laut krachte der Schuß, und das geweihte Silber raste dem Untier ins Maul. Es riß den Schädel hoch, prallte damit gegen den Felsen, knurrte und heulte vor Wut.
Nun wollte Mr. Silver das Biest mit dem Höllenschwert attackieren, aber Cinto, der Vernichter, war schneller. Er katapultierte sich vorwärts und riß den magischen Dolch aus dem Stein.
Einen Lidschlag später griff er das Scheusal unerschrocken an. Das Tier mit den vielen Füßen wich zurück, zuckte aber gleich wieder vor und wollte Cinto beißen.
Die langen Zähne hätten Cintos Rüstung spielend durchbohrt. Das wußte er auch, deshalb brachte er sich mit einem Satz nach links in Sicherheit.
Er schleuderte seine Lanze. Sie flog dem vielfüßigen Monster ins Maul, das sogleich schnappend zuklappte. Aber Cinto wartete nicht, ob der Wurf eine Wirkung hatte.
Er stürzte sich mit dem magischen Dolch auf das Ungeheuer, setzte sein Leben bedingungslos aufs Spiel, denn nur so konnte er die Bestie bezwingen. Sein gepanzerter Arm zuckte nach unten. Ich sah kurz den goldenen Dolch blitzen, und dann traf die Klinge.
Eine starke Magie raste in den Körper des vielfüßigen Monsters. Es drehte und wand sich, bäumte sich auf, schlug mit seinen kurzen Beinen nach dem Feind, versuchte ihn mit einer neuen Feuerwolke zu verbrennen, doch aus dem Maul kam nur noch schwarzer Rauch, kein Feuer mehr.
Cinto stürmte seitlich an dem unförmigen Schädel vorbei, setzte den goldenen Dolch an und zog ihn über die Haut, die sich sofort öffnete.
Dann kletterte er auf das Tier. Trotz der Rüstung bewegte er sich ungemein schnell. Wie ein Reiter saß er jetzt auf dem Scheusal, knapp hinter dem Kopf.
Mit beiden Händen hob er den
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