070 - Neues vom Hexer
Schreiber Ende nächster Woche noch am Leben ist, denn in dem Artikel stehen ein paar recht häßliche Bemerkungen über den Mut und den Scharfsinn des Hexers.«
Ein peinliches Schweigen folgte, aber endlich raffte sich Mr. Mander zu einer Äußerung auf.
»Wer mag den Artikel wohl geschrieben haben?« fragte er.
Bliss schüttelte den Kopf.
»Offenbar irgendein hysterisches Weibsbild.« Er fischte die Zeitschrift wieder aus dem Papierkorb heraus und reichte sie seinem Untergebenen. »Lesen Sie sie ruhig durch – Sie werden sich über den Blödsinn totlachen.«
Offenbar gab es auch Leute, die mit dem Artikelschreiber sympathisierten und übereinstimmten. Mr. Mander wohnte in Maida Vale und benützte gewöhnlich auf dem Nachhauseweg die Untergrundbahn. Eines Abends trat der Polizist Olivan mit ihm zusammen in ein Abteil ein. Er grinste, als er den Inspektor erkannte, grüßte und nahm dann mit einer Entschuldigung neben ihm Platz.
Mr. Mander war es nicht unangenehm, wenn er von Polizisten in Uniform gegrüßt wurde. Er gehörte zu den wenigen seiner Kollegen, die es für angezeigt gehalten hätten, einen Inspektor der Kriminalpolizei durch einen goldenen Stern oder eine ähnliche Dekoration kenntlich zu machen, damit gewöhnliche Sterbliche die nötige Ehrfurcht vor ihm zeigten.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich rauche?« fragte Olivan.
Er hatte anscheinend seinen Dienst hinter sich und steckte sich eine Tonpfeife an, nachdem der Inspektor seine Genehmigung gegeben hatte.
»Ich habe Sie sofort erkannt, denn ich habe Sie schon bei verschiedenen großen Kriminalfällen vor Gericht gesehen«, sagte er und lächelte Mander gutmütig zu.
»Es ist doch merkwürdig, erst heute morgen habe ich mit unserem Sergeanten von Ihnen gesprochen – wenn ich mir die Freiheit nehmen darf.«
Mr. Mander neigte gnädig den Kopf.
»In einer Zeitung – den Namen habe ich vergessen – habe ich nämlich etwas über den Hexer gelesen. Und da sagte ich zu dem Sergeanten: >Ich wette, daß der Beamte, den der Artikelschreiber meint, Mr. Mander ist.<«
»Ich habe den Artikel nicht gelesen«, erwiderte der Inspektor.
»Das müssen Sie aber unter allen Umständen tun«, erklärte Olivan ernst. »Es wird nämlich viel von den Zuständen in der Kriminalabteilung gesprochen. Wissen Sie, was ich glaube? Ich will nichts Ungebührliches gegen meine Vorgesetzten sagen, aber ich meine, ein gewöhnlicher Polizist könnte den Hexer besser erwischen als die Leute, die sich jetzt in Scotland Yard darum kümmern.«
»Das möchte ich nun nicht behaupten.«
»Natürlich sind Sie nicht der Ansicht. Aber ich kenne den Polizeidienst in- und auswendig, denn ich bin zweiundzwanzig Jahre dabei. Als ich sieben Jahre hinter mir hatte, wurde mir einmal angeboten, daß ich Detektivsergeant werden sollte, aber damals wollte ich nicht annehmen. Ich hatte nicht die nötige Schulbildung, und ich wollte mir auch nicht die Mühe machen, noch einmal mit all den jungen Leuten zusammen auf die Polizeischule zu gehen.«
»Also glauben Sie, daß Sie den Hexer fangen könnten?«
Mander sah den Polizisten mit einem gutmütig verzeihenden Lächeln an.
»Nein, das nicht«, erwiderte Olivan schnell. »Aber wenn ich unter einem Vorgesetzten arbeitete, der mir Vertrauen schenkte wie etwa Sie, so könnten wir ihn sicher in einer Woche fassen – entschuldigen Sie bitte, daß ich eben >wir< sagte.«
Er nahm die Pfeife aus dem Mund und sah sich in dem Abteil um, als ob er sich vergewissern wollte, daß niemand zuhörte. Dann neigte er sich näher zu Mr. Mander und sprach leise und vertraulich weiter.
»Bei mir in der Nähe wohnt ein Geldverleiher, der vielleicht der Hexer sein könnte. Er wohnt erst zwei Monate dort, ist sehr selten zu Haus und kommt immer nur nachts.«
»Wie sieht er denn aus?« fragte Mander interessiert.
»Er hat einen kleinen Bart, ähnlich wie Mr. Bliss. Ich weiß allerdings nicht genau, ob er tatsächlich Geldverleiher ist. Der alte Harper hat früher in dem Haus gewohnt.«
»Wo liegt es denn?« fragte Mander gleichgültig. Der Polizist zeichnete mit dem Finger einen kleinen Plan auf seine Hand.
»Ich werde mit Ihnen fahren und mir das Haus einmal ansehen«, meinte Mander.
Olivan strahlte vor Diensteifer.
»Wenn mich einer meiner Kollegen in Ihrer Begleitung sieht, wird er gelb vor Neid«, sagte er glücklich, als sie aus dem Untergrundbahnhof heraustraten. »Aber es wohnen nur zwei von unserer Abteilung hier in der Nähe. Es ist sehr
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