070 - Neues vom Hexer
ankam, und er hatte Glück, daß er Mr. Strathpenner antraf. Der Minister war der Schrecken seiner Untergebenen, denn er arbeitete ohne Methode und System. Es gab Tage, an denen er überhaupt nicht im Amt erschien, und sonst kam er meistens eine Stunde vor Büroschluß, so daß die Beamten dann bis spät in die Nacht im Dienst bleiben mußten.
Infolgedessen war er sowohl bei seinen Untergebenen als auch beim großen Publikum sehr unbeliebt. Er bildete sich viel ein, besaß aber wenig Phantasie und hatte schlechte Umgangsformen und einen unangenehmen Charakter. Man konnte sich darüber wundern, daß dieser Mann einen so hohen Posten bekleidete, da er sich in keiner Weise durch Geist oder Rednergabe auszeichnete. Auch verdankte er seine Stellung nicht der Zugehörigkeit zur Regierungspartei. Er war eben sehr lange im Amt und durch Beharrlichkeit zum Ziel gekommen, unterstützt durch eine Reihe für ihn glücklicher Umstände. Er war ein hagerer Mann mit breiten Schultern, und wenn man ihn sah, hatte man immer den Eindruck, daß er irgendeiner unangenehmen Sache auf die Spur gekommen sei. Seine Gesichtszüge machten es den Karikaturisten nicht schwer, ihn lächerlich darzustellen. Der fast kahle Kopf, über den die wenigen Haare sorgfältig gebürstet waren, die buschigen schwarzen Augenbrauen und die dicken Brillengläser gaben ihm ein charakteristisches Aussehen.
Er sprach mit harter Stimme und hatte die Angewohnheit, sich häufig durch heiseres Räuspern zu unterbrechen.
Bliss mußte zwanzig Minuten warten, bis er vorgelassen wurde. Die Verzögerung schien vollständig grundlos zu sein, denn Mr. Strathpenner las Zeitung, als Bliss eintrat.
»Bliss? Ach ja, Sie sind der Polizeibeamte – hm – also, dieser Fall Benner . ja, ich besinne mich jetzt auf die Sache. Deswegen habe ich Sie herkommen lassen!«
Der Minister schaute ihn von unten herauf an. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
»Was wissen Sie denn darüber? Ich habe den Richter noch nicht gesehen, der den Fall bearbeitet hat. Aber meiner Meinung nach besteht nicht der geringste Zweifel, daß dieser Kerl seine Strafe vollkommen verdient hat. Was hier in der Zeitung steht, ist doch blühender Blödsinn.« Er klopfte mit dem Finger auf das Papier. »Ich glaube nicht an derartige rührende Geständnisse – Sie doch auch nicht?«
»Welches Geständnis meinen Sie?« fragte Bliss erstaunt.
»Was, Sie haben es noch nicht gelesen?« Strathpenner schob ihm die Zeitung über den Tisch zu. »Hier steht der Artikel. Machen Sie nur die Augen auf… dritte Spalte .«
Der Artikel stand allerdings nicht in der dritten, sondern in der fünften Spalte. Er lautete:
Der Mord im Hotel Aufsehenerregende Enthüllung eines Verbrechers kurz vor seinem Tode Lee Lavinski, der vorgestern abend in einer Straße Montreals kaltblütig einen Polizisten niederschoß, wurde von einem Kollegen des Getöteten durch einen Schuß niedergestreckt. Die Polizisten überraschten ihn, als er in die Canadian Bank einbrechen wollte. Er legte ein wichtiges Geständnis vor einem höheren Beamten ab, der zu ihm ins Krankenhaus gerufen wurde.
Lavinski wird von seinen Verwundungen nicht wieder genesen. Im Laufe des Geständnisses sagte er auch aus, daß er den Mord an Mr. Estholl begangen habe. Man hatte dafür Michael Benner verantwortlich gemacht, der zum Tode verurteilt wurde und augenblicklich in einem Londoner Gefängnis sitzt. Lavinski wußte, daß Mr. Estholl größere Geldsummen in seiner Brieftasche mit sich trug, und nahm einen Hammer aus der Werkzeugkammer des Hotels, um die Tür von Estholls Zimmer aufzubrechen, falls sie verschlossen sein sollte.
Estholl wachte auf, als Lavinski das Zimmer betrat, und der Einbrecher schlug ihn mit dem Hammer nieder, ohne zu wissen, daß er ihn getötet hatte. Als er sich nach der Tat genauer umschaute, sah er, daß der Ermordete eine elektrische Klingel in der Hand hatte. Er fürchtete, entdeckt zu werden, und entfloh, ohne irgendwelche Wertsachen mitzunehmen. Diese Aussagen sind vor einem Friedensrichter gemacht worden.
Bliss sah auf und begegnete dem Blick des Ministers.
»Das ist doch reinster Unsinn, nicht wahr? Ist Ihnen in Scotland Yard offiziell etwas davon mitgeteilt worden?«
»Nein.«
»Nun, das habe ich mir gleich gedacht. Der alte Trick! Das ist ja schon öfter passiert. Dadurch wird Benner auch nicht gerettet – verlassen Sie sich auf mich – hm!«
»Aber Sie werden den Mann doch nicht henken lassen, bevor Sie die
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