070 - Neues vom Hexer
Andererseits konnte man aber auch sehr leicht von außen in diesen Raum eindringen, da er im Erdgeschoß liegt. Und man fand auch tatsächlich am nächsten Morgen das Fenster offenstehen.«
»Hat Benner irgendwelche Hoffnung auf Begnadigung?«
Bliss schüttelte den Kopf.
»Nein, das Gericht hat seinen Revisionsantrag verworfen, und der Innenminister ist nicht der Mann, der Mitleid hat und Leute begnadigt. Unglücklicherweise war der alte Estholl mit ihm befreundet.«
Colonel Walford sah wieder auf den Brief und fuhr sich nervös mit der Hand durch das Haar.
»Was kümmert sich der Hexer denn überhaupt um Benner?«
Der Chefinspektor lächelte kaum merklich über diese seiner Meinung nach naive Frage.
»Es ist doch eine alte Erfahrungstatsache, daß sich der Hexer immer um anderer Leute Angelegenheiten kümmert. Er hat sich des Falles angenommen, denn er schickt nicht umsonst Briefe in der Welt herum. Wir werden sicher wieder recht aufregende Dinge erleben. Übrigens hat mich der Innenminister gerade wegen dieser Angelegenheit zu einer Besprechung vorgeladen.«
»Und glauben Sie, daß Sie Ihren Einfluß auf ihn geltend machen können?«
»Wenn ich ihm beipflichte, ja. Sonst nicht.«
Bliss ging in sein Büro zurück und erfuhr, daß ihn jemand zu sprechen wünsche. Noch bevor sein Assistent ihm den Namen der Dame nannte, ahnte er, um wen es sich handele.
Sie war sehr schön, obwohl sich tiefer Kummer in ihren Zügen ausdrückte. Ihre trüben, traurigen Augen zeugten von schlaflos durchweinten Nächten.
»Was kann ich für Sie tun, Mrs. Benner?« fragte er freundlich.
Ihre Lippen zuckten.
»Ich weiß es nicht… ich weiß nur, daß Mike unschuldig ist. Er ist nicht fähig, einen so schrecklichen Mord zu begehen! Ich war im Innenministerium, aber man hat mich nicht vorgelassen.«
Bliss sah wieder auf ihre Kleidung, die offensichtlich erst vor kurzem gekauft worden war.
»Es geht mir finanziell nicht schlecht«, sagte sie, als ob sie seine Gedanken erraten hätte. »Ein Herr hat mir vorige Woche zwanzig Fünfpfundnoten geschickt. Damit konnte ich alle Schulden meines Mannes bezahlen und hatte auch noch so viel übrig, daß ich meinen Lebensunterhalt bestreiten konnte.«
»Wer hat Ihnen das Geld geschickt?« fragte Bliss schnell. Aber hierüber konnte sie ihm keine genaue Auskunft geben, denn es war anonym mit der Post angekommen.
»Haben Sie denn keinen Brief dazu erhalten?«
»Nur einen Zettel. Hier ist er.«
Sie nahm einen kleinen Papierfetzen aus ihrer Handtasche, der von einer Zeitung abgerissen worden war.
»Geben Sie die Hoffnung nicht auf«, stand in Schreibmaschinenschrift darauf.
Bliss erkannte die Maschine sofort wieder. Die kurze Nachricht stammte vom Hexer, daran war nicht zu zweifeln.
»Sie stehen unter ganz besonderem Schutz«, sagte er etwas ironisch. »Ich fürchte, daß ich nicht viel für Sie tun kann«, fuhr er dann ernst fort. »Ich spreche allerdings heute einen der höchsten Beamten im Innenministerium, aber .«
Er beendete den Satz nicht, als er sah, daß sie die Augen schloß und noch bleicher wurde.
Er zog einen Stuhl herbei und bat sie, Platz zu nehmen. Der Anblick dieser verzweifelten Frau rührte ihn, obwohl er sonst sehr hart sein konnte.
»Gibt es gar keine Hoffnung mehr?« fragte sie fast unhörbar und schüttelte den Kopf, als ob sie seine Antwort vorausahnte.
»Ich habe nur eine ganz schwache Hoffnung.«
»Aber Sie glauben doch nicht an seine Schuld, Mr. Bliss. Als ich ihn im Gefängnis in Pentonville sah, sagte er zu mir, daß Sie ihn für unschuldig halten. Oh, es ist entsetzlich!«
Bliss hatte eine gewisse Vorstellung von den Arbeitsmethoden des Hexers und überlegte, wie dieser Mann, der vor nichts zurückschreckte, den Fall wohl lösen würde.
»Haben Sie Verwandte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Mrs. Benner, ich will alles für Sie tun, was ich kann.
Aber ich möchte Sie bitten, auch etwas für mich zu tun. Wenn sich der Mann, der Ihnen das Geld geschickt hat, Ihnen irgendwie nähern sollte oder wenn irgendein Unbekannter Sie besucht, müssen Sie mich sofort telefonisch benachrichtigen.«
Er schrieb die Nummer, unter der sie ihn erreichen konnte, auf ein Blatt Papier und reichte es ihr.
»Wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt, er sei von Scotland Yard oder ein Polizeibeamter, so müssen Sie mir das auch sofort berichten. Ich werde alles für Ihren Mann tun, was in meinen Kräften steht.«
Es war halb drei Uhr nachmittags, als er im Innenministerium
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