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0700 - Aphilie

Titel: 0700 - Aphilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ihm vorbeijagten, das Gleichgewicht verloren hatte, Die Lage war nicht etwa gefährlich - onein, er lag eben da, und das Rollband trug ihn weiter mit sich fort. Dort, wo es zu Ende war, würde es ihn mehr oder weniger sanft auf festem Boden absetzen.
    Soviel Geduld war der Alte jedoch nicht gewillt aufzubringen.
    Sei es, daß er überhaupt nicht bis ans Ende des Bandes wollte, sei es, daß ihm seine jetzige Lage unwürdig erschien. Auf jeden Fall versuchte er, sich aufzuraffen und wieder auf die Beine zu kommen.
    Er mochte etwa einhundertundfünfzig Jahre alt sein. Er wirkte gebrechlich, und ohne zusätzlichen Halt würde er es nicht schaffen, sich aufzurichten. Jedermann konnte es sehen, und auch er wußte es. Er sah die Menschen flehend an, die rings um ihn standen. Aber sie sahen über ihn hinweg. Sie taten, als gäbe es ihn gar nicht. Da fing er an zu jammern.
    „Reich mir doch einer die Hand ... bitte! Ihr seht doch, daß ich nicht aufkomme!"
    Da begannen sie zu reagieren, ein jeder auf seine Weise. Der eine stieg über ihn hinweg, um ihn auf diese Weise in den Rücken zu bekommen und seine bejammernswerte Gestalt nicht mehr zu sehen. Der andere fuhr ihn an: „In deinem Alter hättest du eben zu Hause bleiben sollen, Opa!
    Du fällst dem öffentlichen Verkehr nur zur Last."
    Und ein dritter vollends stieß ihm den Fuß in die Seite, so daß er bis zum Rand des Bandes geschoben wurde und dadurch den andern nicht mehr im Weg lag.
    Ungläubiges Staunen malte sich in den Augen des Alten. Er konnte nicht begreifen, was mit ihm geschah. Als er aber erkannte, daß er die ganze Szene nicht nur träumte, da wurde er zornig.
    „Ihr Nichtsnutze!" keifte er. „Ich gebe euch noch achtzig, neunzig, vielleicht hundert Jahre, dann seid ihr genauso wie ich!
    Und ich hoffe zu Gott, daß es euch ebenso dreckig ergehen wird wie mir jetzt..."
    „Du versündigst dich, Alter!" rief ein junger Mann mit gehässigem Spott. „Du rufst Gott an und denkst an Vergeltung!
    Das ist nicht religiös."
    „Ah, bah ... religiös!" zeterte der Alte. „Dich jungen Schnösel kann ich noch allemal belehren ..."
    Da stieg ihm der Junge mit dem rechten Fuß auf den Leib, daß der Alte vor Angst und Entsetzen aufschrie. Im selben Augenblick kam Bewegung in die Menge auf dem Rollband. Aus dem Hintergrund bahnte sich ein Mann in den mittleren Jahren mit viel Kraft und wenig Rücksichtnahme einen Weg durch den Wall derer, die den Alten umstanden.
    Der junge Mann, der soeben den Alten getreten hatte, fühlte sich plötzlich am Kragen gepackt und in die Höhe gehoben. Eine kraftvolle Hand wirbelte ihn herum. Unter dem Eindruck der funkelnden Augen verließ ihn aller Mut. Er begann zu stottern und zu stammeln, sein Gesicht verfärbte sich kreideweiß vor Angst. Aber der Fremde mit dem zornigen Blick ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    „Von allen Menschen, die ich in dieser gottlosen Stadt zu Gesicht bekommen habe, bist du der gemeinste und häßlichste.
    Es müßte ein besonders barmherziges Schicksal sein, das sich dazu herabließe, dir auch nur eine einzige Gunst zu erweisen.
    Damit du aber merkst, daß es noch immer Menschen gibt, die dich und deinesgleichen nicht ausstehen können, erteile ich dir hiermit kostenlos eine Lehre!"
    Ohne weitere Warnung holte er aus und schlug dem Jungen zweimal die flache Hand über die Wange. Der Gezüchtigte schrie entsetzt auf, verlor das Gleichgewicht und stürzte auf das angrenzende, schnellere Rollband, das ihn rasch mit sich davontrug.
    Dann wandte sich der Zornige an die Umstehenden.
    „Und ihr", schrie er sie an, „schert euch aus meinen Augen, oder, bei Gott, ich verdresche euch alle miteinander!"
    Und obwohl sie weit in der Überzahl waren, wichen sie vor ihm zurück. Eine Lücke entstand im steten Strom des Rollbandverkehrs, und in dieser Lücke befanden sich nur der Alte, der noch immer hilflos am Boden lag, und der Mann mit den zornigen Augen.
    Er bückte sich und half dem Gestürzten vorsichtig auf.
    „Dank dir, mein Freund", sagte der Alte mit zittriger Stimme.
    „Ich weiß nicht, was in die Leute gefahren ist, aber..."
    „Der Teufel!" unterbrach ihn der Zornige. „Der leibhaftige Satan!"
    Der Alte musterte ihn unsicher.
    „Das glaubst du wirklich, Freund?" fragte er unsicher.
    „Das glaube ich wirklich", antwortete der Zornige im Brustton der Überzeugung.
    „Wer bist du?" wollte der Alte wissen.
    „Mein richtiger Name tut nichts zur Sache. Aber die Leute haben mir einen Spitznamen gegeben,

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