0701 - Duell der Amulette
tatsächlich aus dem Inneren des Châteaus herausgerissen worden war oder nur eine Vision erlebte.
Es war vollkommen still und kalt. Langsam bewegte er sich an den Licht punkten vorbei, sah dunkle Gesteinsbrocken, die wie riesige Billardkugeln durchs All rollten. Sie schienen sich auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren und er konnte spüren, wie auch an ihm etwas zog und zerrte.
Er wurde schneller. Die Sterne rasten an ihm vorbei, bis er sie nur noch als glühende Streifen wahrnahm. Vor ihm war etwas, in das die Asterpiden hineinstürzten. Es war dunkler als das All, schwärzer als ein schwarzes Loch und erschien doch nicht größer als der Kopf einer Stecknadel.
Was ist das?, dachte er alarmiert.
Dann verschlang die Schwärze auch ihn.
Er stand - nein, schwebte, korrigierte er sich - auf einem Plateau. Unter ihm breitete sich dichter Urwald aus. Eine Frau trat in sein Blickfeld. Im ersten Moment hielt er sie für Nicole, aber dann war er nicht mehr so sicher. Der graue Nebel vor seinen Augen erschwerte die Sicht.
Die Unbekannte ging auf eine Höhle zu, die wie ein Totenkopf aussah. Ein breites Band führte in ein Auge. Daneben stand ein Mann in dunkler Kutte. Er hob den Kopf und Zamorra hatte den Eindruck, direkt von ihm angestarrt zu werden, auch wenn er sein Gesicht nur verschwommen sah.
»Du hast zusammengebracht, was nie zusammengeführt worden durfte«, sagte er, ohne den Mund zu bewegen. »Bist du bereit, den Preis dafür zu zahlen?«
»Wovon sprichst du?«, fragte der Dämonenjäger. »Meinst du die Amulette?«
Der Kuttenträger schwieg. Er hob den Arm und zeigte auf die rote flackernde Sonne, die tief über dem Urwald hing.
Ein roter Riese, dachte Zamorra. Eine sterbende Sonne.
»Wieso zeigst du mir das? - Und wer bist du?«
Immer noch schweigend wandte sich der Kuttenträger ab. Seine Umrisse schienen zu zerfließen, bis sie nicht mehr vom Boden zu unterscheiden waren. Die gesamte Landschaft floss ineinander wie Wasserfarben, wurde zu einem Meer aus Farbklecksen, das langsam unter Zamorra verschwand.
Er sah nach oben, der roten Sonne entgegen.
Eine entartete Sonne?, durchzuckte es ihn. Sein Amulett - der Zauberer Merlin hatte einst einen Stern vom Himmel geholt und aus diesem, aus der Kraft einer entarteten Sonne, das Amulett geschmiedet… [1]
Aber war jene entartete Sonne nicht schwarz gewesen?
Zamorras Gedanken wirbelten durcheinander. Erinnerungsfragmente, Bilder… »Der Tod«, raunte die Frau, die er anfangs für Nicole gehalten hatte. Sie drehte sich ihm zu, und ihr Gesicht war plötzlich jener gewaltige Höhlen-Totenschädel. »Du bist gewarnt«, vernahm er ihre verhallende Stimme. »Das, was du zusammenführst, kann nicht zusammen sein.«
Sie verblasste, wie vor ihr der Kuttenträger.
Ein verrückter Gedanke durchzuckte ihn. Diener der Schicksalswaage?
»Zwei Aspekte des Seins und des Nichtseins«, hallte es noch einmal in ihm auf, wie eine Korrektur?, und diesmal waren es beide Stimmen zugleich, die er wahrnahm - ineinander vermischt, ohne disharmonisch zu wirken.
Dann war da nur noch die rote Sonne. Unaufhaltsam trieb er darauf zu. Ihre Hitze raubte ihm den Atem. Sonneneruptionen brachen hervor und leckten an seiner Kleidung. Er spürte die Flammen auf seiner Haut, wollte sich das Hemd vom Körper reißen, doch es war zu spät.
Er schrie, als er in die Sonne eintauchte.
Und durch die Luft geschleudert wurde. Die Steine des Kerkers umgaben ihn. Er sah die Wand auf sich zukommen - und dann nichts mehr.
***
Die magische Schockwelle breitete sich blitzschnell aus. Sie glitt durch die Mauern des Schlosses, raste hinab in die tiefsten Kellerräume und hinauf bis in die Spitzen der Türme. Dann dehnte sie sich weiter aus, über den Berg hinweg, unaufhaltsam wie eine unsichtbare Lawine.
Die Äste der Bäume knickten ab und trieben innerhalb von Sekunden Knospen, die sich trotz der Dunkelheit öffneten. Schwarzer Schleim quoll aus ihnen hervor. Unter der ätzenden Säure verdampften die Äste. Rauch stieg in den Himmel, ließ die in Panik aufgestiegenen Vögel tot nach unten fallen. Staub wallte aus dem ausgedorrten und vertrockneten Waldboden auf.
Dann war die Schockwelle vorbei, rollte langsamer und schwächer werdend auf das Dorf zu.
Im Fass, der Dorfkneipe, die von Wirt Mostache betrieben wurde, warf sie die wenigen Gäste von den Stühlen, ließ Gläser, Flaschen und Fensterscheiben in einem Scherbenregen zerplatzen. Bier schoss aus der altertümlichen Zapfanlage wie
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