0702 - Das dunkle Ich
verändert. Mit ihm stimmt etwas nicht.«
»Und was habe ich damit zu tun?«
»Arbeiten Sie für mich, Mister Ullich. Offiziell als Bodyguard für Seneca. Er wird noch eine Weile in Frankfurt bleiben. Das ist unsere und Ihre Chance. Sie könnten ständig in seiner Nähe sein und ihn und seine Reaktionen beobachten.«
»Was versprechen Sie sich davon? Für Bespitzelung haben Sie doch sicher Ihre eigenen Leute.«
»Sicher. Aber die kennen sich in Frankfurt nicht so gut aus. Wir haben hier bisher noch keine Niederlassung, wegen des Agreements, sich nicht gegenseitig ins Gehege zu kommen. Sie aber können sogar Fremdenführer spielen, und Sie haben die erforderliche Berufserfahrung. Ich setze Sie auf die Gehaltsliste. Sie bekommen einen Spitzensatz und Gefahrenzulage.«
»Sie vergessen, dass ich Möbius verpflichtet bin. Ich bin sein Freund.«
»Eben deshalb«, warf Riker ein, der bisher geschwiegen hatte. »Sie könnten auf diese Weise vielleicht etwas für ihn tun. Ich weiß, dass ich damit gegen meine eigenen Interessen spreche. Immerhin war ich damals die treibende Kraft, als es um die feindliche Übernahme ging, vor Jahren schon. Da hat Tendyke mich immer wieder gebremst. Bei der Sache mit der Invasion der Ewigen hat er mich sogar gefeuert. Und jetzt, als er unter dem Namen Seneca wieder auftaucht, kommt er zu mir, gibt mir meinen alten Job zu besseren Konditionen wieder und verlangt, dass ich an der feindlichen Übernahme weiterarbeite und sie vollziehe! Das habe ich getan. Aber, Ullich, mit dem Mann stimmt etwas nicht.«
»Riker bat mich, Seneca observieren zu lassen. Da er aber nun eine Weile hier in Germany bleiben wird, fällt das schwer. Ich brauche dazu jemanden wie Sie. Eben offiziell als Bodyguard.«
»Ich wäre unglaubwürdig.«
»Wir machen das schon glaubwürdig«, versicherte Shackleton. »Sie brauchen bloß zuzustimmen.«
»Und worauf wollen Sie bei der ganzen Sache hinaus?«
»Senecas Psyche hat vermutlich einen Knacks«, sagte Riker leise. »Das fängt schon bei der Namensänderung an. Sein ganzer Charakter hat sich verändert. Wenn wir nachweisen können, dass er auf die eine oder andere Weise psychisch gestört ist…«
»Wäre er dann nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr geschäftsfähig, und die Übernahme, die durch seine Unterschrift besiegelt wurde, wäre nichtig. Mister Ullich«, fuhr Riker fort, »die Tendyke Industries ist keine Aktiengesellschaft oder so etwas. Die Tochterfirmen schon, aber die Holding nicht. Tendyke Industries ist persönlicher Alleinbesitz von Mister Seneca. Wenn seine Unterschrift ungültig ist, kippt der ganze Handel.«
»Das wäre dann aber nicht in Ihrem Sinne«, sagte Ullich nachdenklich. »Sie haben doch vor Jahren schon darauf hingearbeitet.«
»Einen psychisch labilen Boss zu haben, ist noch weniger in meinem Sinne. Wer weiß, was er als Nächstes macht. Wie ist es, Mister Ullich? Sind Sie mit im Boot?«
»Ich muss darüber nachdenken«, sagte der blonde Hüne.
»Denken Sie schnell«, sagte Shackleton.
***
»Das ist doch verrückt«, sagte Carsten Möbius später, als Ullich ihm von dem Gespräch erzählte. »Die Sache stinkt. Ich traue Riker nicht über den Weg. Der Mann ist ein Intrigant, der nur seinen eigenen Vorteil sieht. Er will dich irgendwie 'reinlegen.«
»Trotzdem, wenn es stimmt, was er sagt, mit der charakterlichen Veränderung Tendykes… erinnere dich, dass Zamorra und Nicole auch schon ähnliche Andeutungen gemacht haben.«
»Sicher. Aber so was reicht doch vorn und hinten nicht, um jemanden für unzurechnungsfähig zu erklären! Kommst du mit nach Frankreich?«
Ullich stutzte. »Moment mal. Du willst tatsächlich jetzt…?«
»Ich will, und ich werde. Ich muss jetzt nur wissen, ob ich ein oder zwei Flugtickets nach Lyon ordere.«
»Die Firma…«
»Verdammt, die Firma! Ja!«, fuhr Möbius auf. »In den letzten Jahren haben wir uns für die Firma kaputtgemacht, und nun gehört sie mir nicht mal mehr. Damit müssen sich jetzt ohnehin unsere Anwälte befassen. Was soll ich tun? Hingehen und Seneca erschlagen? Ich kann jetzt sowieso nichts tun. Das ist Sache der Juristen. Und es kann dauern. Also nutze ich die Zeit, Dinge zu tun, die ich sonst nicht tun könnte: Freunden helfen. Machst du mit?«
Ullich zögerte.
»Oder willst du dich tatsächlich dem Bauernfänger Riker verschreiben? Als Bodyguard getarnter Spitzel… Mann, das glaubt Seneca dir doch nie, dass du ihn bewachen sollst! Ausgerechnet du, nach deinem
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