0706 - Das Galgen-Trio
mir, und ich konnte ihren scharfen Atem hören.
Ich schaute gegen den Himmel.
Da war nur weit im Westen noch ein roter Streifen zu sehen, der einen helleren Rand markierte. In wenigen Minuten würden beide verschwunden sein und der Dämmerung vollends Platz geschaffen haben. Dann hatte die Nacht den Tag wieder besiegt, und mein Blick richtete sich gegen den Himmel, wo ich einen bleichgelben Umriß sah, als wäre dieser aus dem Dunkel herausgeschnitten worden.
Es war der Mond…
Das Auge der Nacht, für die meisten romantisch, für schwarzmagische Wesen eine Kraftquelle und gleichzeitig ein Unheilspender.
Sein bleiches Licht war zwar noch nicht so intensiv wie in tiefer Nacht, aber auch jetzt sickerte es dem Erdboden entgegen und legte sich als Schleier über die Galgen.
Christina Romero schaute mir zu, wie ich das Holz anfaßte und es prüfte. Es war hart und gleichzeitig weich. Wind und Wetter hatten an den drei Gestellen ihre Spuren hinterlassen, und Spuren entdeckte ich auch in unmittelbarer Nähe der drei Galgen, denn dort war das Gras zusammengedrückt, wie ich im Schein meiner Bleistiftleuchte ziemlich deutlich erkennen konnte.
Ich schaute Christina an, die ebenfalls zu Boden blickte und sogar leicht in die Knie gegangen war.
Ihre Hände hatte sie auf die Oberschenkel gelegt, enthielt sich aber eines Kommentars.
»Ich weiß nicht, was du meinst, John.«
»Genau dort, wo das Gras zerdrückt ist, sind sie nach ihrer Befreiung aus den Schlingen gelandet.«
Sie richtete sich wieder auf. »Das mag ja sein, John. Aber was geht uns das an?«
»Im Prinzip nichts. Ich hatte nach dem Beweis Ausschau gehalten, daß sie es tatsächlich aus eigener Kraft geschafft haben. Das bestätigt wieder, daß sie…«
»Bitte, sei still.«
Ich schwieg sofort.
Christina drehte sich auf der Stelle, die Arme etwas vom Körper abgedrückt. Selbst im Mondlicht sah ich die Gänsehaut, die sie bekommen hatte.
Etwas raschelte und raunte, als würden die wispernden Stimmen irgendwelcher Kleinwesen durch das Gras fahren, um uns gewisse Botschaften zu übermitteln.
»Der Wind«, sagte ich leise.
Sie schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Es war ein anderes Geräusch dazwischen.«
»Welches?«
Sie hob die Schultern. »Es klang irgendwie anders. So unnatürlich und dumpf.«
»Tatsächlich?«
»Ja, John, ja…«
Ich räusperte mich, weil Schleim in meiner Kehle lag, und wollte wissen, aus welcher Richtung das Geräusch gekommen war.
Sie wußte es nicht.
»Bitte…«
Christina schlug mit der Hand gegen ihren Oberschenkel. »Es ist mir nicht klar, John. Das… das kann von überall hergekommen sein. Glaub mir doch.«
»Okay, ich weiß Bescheid.«
Ein Rundblick hatte mir gezeigt, daß sich die Umgebung nicht gerade für einen Überfall eignete. Es gab einfach zu wenig Deckung. Wenn die drei Zombies angriffen, dann konnten sie sich auch im Gras versteckt halten.
»Was machen wir?« fragte Christina.
»Noch warten«, sagte ich.
»Gut, wir warten, aber…«
In diesem Augenblick schlug das Grauen erbarmungslos zu…
***
Die drei lebenden Leichen hatten sich versteckt. Sie lagen im Gras, so flach wie möglich und hart gegen den Boden gepreßt. Die hohen Halme deckten sie vor einer schnellen Sicht. Es mußte schon jemand sehr nahe herankommen, wollte er sie sehen.
Sie warteten, und sie hatten etwas gerochen.
Menschen!
Für sie besaßen die Lebenden einen typischen Geruch, der sie gleichzeitig wild und hungrig machte.
Sie rochen das Fleisch, das dampfende Blut unter der Haut. Beides würde dazu beitragen, ihren Hunger und auch ihren Durst zu stillen.
Menschen und Zombies - Todfeinde, so unterschiedlich wie Tag und Nacht.
Sie waren schon auf dem Weg gewesen, um in den Ort zu gehen, als sie die Schritte hörten, die leisen Stimmen und die Opfer schließlich sahen. Sie wollten zum Galgen, wollten dort nachschauen, aber sie würden diesen Ort nicht mehr lebend verlassen.
Die Zombies hatten ihren Plan blitzschnell geändert. Jetzt waren sie auf - die beiden voll und ganz fixiert.
Eine Frau und ein Mann…
Sie schauten sich in der Nähe des Galgens um, sie leuchteten sogar eine Stelle ab, aber die Lampe strahlte nicht dorthin, wo die drei- im Gras lagen.
Der Zwerg erhob sich als erster.
Seine Gier war am größten, er konnte sich nicht mehr im Zaum halten.
Und er hatte etwas mitgenommen. Nicht nur im Gewölbe standen die langen Eisenstangen, die als Hebel dienten. Auch draußen wurden sie aufbewahrt, und bisher war
Weitere Kostenlose Bücher