071 - Der Hexer mit der Schlangenhand
Riesenschlange wie Diamanten einer überirdischen
Schönheit, gleißende Edelsteine, deren grausame Helligkeit in den Augen
schmerzte.
Larry löste
seinen Blick von der Schlange und versuchte den Abstand zwischen ihr und sich
zu vergrößern. Aber wohin sollte er sich wenden?
Die Ebene war
endlos. Sie fand keine Unterbrechung. Gleichgültig, in welche Richtung er seine
Schritte lenkte, die Schlange würde ihm folgen und ihn früher oder später
erreichen.
Aber er mußte
fliehen! Er durfte nicht aufgeben. Kam es zu einem Kampf mit dem Ungetüm, besaß
er nicht die geringste Chance, waffenlos wie er war.
Denn seine
Smith and Wesson war verschwunden, ebenso der Ring am Finger. Er konnte noch
nicht mal Hilfe herbeirufen!
Unablässig
kam die Schlange näher. Die Luft schmiegte sich um Larry Brents Beine und
klebte zäh wie Kleister daran. Er kam nicht richtig vorwärts.
Und dann war
die Schlange heran. Gehetzt blickte sich Larry um. Es war noch nicht mal einer
dieser verkrümmten Bäume in der Nähe, auf den er klettern konnte, um den
Todesstoß noch eine Weile hinauszuzögern.
Doch die
Schlange stieß nicht zu. Sie umrundete ihn. In mächtigen Wogen floß ihr
gigantischer Leib um ihn herum, bis sie sich vor ihm befand. In seiner
Fluchtrichtung!
Sie riß ihr
Maul auf. Eine oberschenkeldicke Zunge fuhr aus dem dunklen Schlund, in der nur
einzelne Fangzähne schimmerten wie Sterne am mondklaren Himmel.
Die
gespaltene Zunge berührte Larry heiß an der Schulter und wand sich seinen Hals
empor. Dort wo sie seine Haut berührt hatte, schlug das Fleisch rote, ätzende
Blasen, die sofort aufplatzten und eine klebrige Flüssigkeit hinaustropfen
ließen.
Larry wandte
den Kopf ab, doch die Zunge glitt höher, schmiegte sich um sein Kinn und zwang
ihn, sein Gesicht zu drehen. Er mußte der Schlange in die Augen schauen.
Sie waren
groß und tief und unergründlich wie Weltmeere. Aber nicht blau, sondern
tiefschwarz. Pure Dunkelheit schien in ihnen umherzuwirbeln.
Langsam
begannen sich die Mahlströme der Finsternis zu ordnen und Gestalt anzunehmen.
Aus ihren irrwitzigen Drehungen schälten sich zwei Körper, in jedem Auge einer,
und beide völlig identisch.
Allmählich
gewannen sie an Kontur. Larry erkannte einen großgewachsenen Mann mit blonden
Haaren und rauchgrauen Augen...
Dieser Mann
war er !
Er saß in den
Augen der Schlange.
Plötzlich
begriff er, daß diese Augen nur Spiegel waren, keine normalen - sondern Spiegel
der Seele, einer übergeordneten Welt, in denen sich der Schein verlor und die
Wahrheit, die Wirklichkeit zum Ausdruck kam.
Er blickte
genauer hin. Diese Augen ... waren sie gerade noch grau und jungenhaft vergnügt
gewesen, veränderten sich nun. Sie machten eine schreckliche Metamorphose
durch.
Auch seine
eigenen Augen wandelten sich zu Spiegeln.-
In ihnen sah
er zwei kleine, grell schillernde Schlangen!
»Lao To Hiau !« schrie Larry Brent.
In diesem
Moment brach der Traum abrupt ab.
●
Für David
Gallun alias X-RAY-1 verstrich die Zeit ebenso langsam.
Aber er faßte
sich in Geduld.
Er hatte ein
Experiment vor.
Er hatte
beschlossen, X-RAY-3 unter allen Umständen zu helfen. Sie mußten beide Klarheit darüber haben, ob Larrys Träume wirklich auf dem
Gedächtnisverlust basierten, den die Schlangengottheit Lao To Hiau in ihm
erzeugt hatte oder ob noch etwas anderes in Frage kam.
X-RAY-1
wollte sich der Fähigkeiten bedienen, die er erlangt hatte, als er damals
klinisch tot gewesen war.
Als Empath
war er imstande, Stimmungen und Gefühle von Menschen wahrzunehmen, die sich
ganz in seiner Nähe befanden.
Und Larry
Brent befand sich in seiner Nähe! David Gallun konnte, wenn auch durch die
Wände zweier Büros etwas abgeschwächt, seine Regungen fühlen.
Er empfing
Zorn und das Gefühl verzweifelter Anstrengung, dem Phänomen auf die Spur zu
kommen. Dies war das Stimmungsbild eines Mannes, der nach wie vor wußte, was er
wollte, der aber von einer unerklärlichen Kraft gebremst wurde...
David Galluns
Fähigkeit ging keineswegs soweit, Larry Brents direkte Gedanken lesen zu können
- ein Telepath war er nicht.
Dennoch
fühlte er, wie Larry Brent langsam zur Ruhe kam. Selbst als er in einen ersten
unruhigen Schlaf glitt, konnte X-RAY-1 noch die Besorgnis seines besten Agenten
wahrnehmen. Larry Brent versuchte eine Selbstanalyse.
Erste Träume
kamen, zusammenhanglose Fetzen, Stimmungsbilder, mit denen David Gallun nichts
anfangen konnte.
Aber dann
begann der Traum, auf den er
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