071 - Der Hexer mit der Schlangenhand
gewartet hatte. David Gallun konzentrierte sich.
Sein empathischer Geist glitt auf den Gefühlsschwingungen Larry Brents einher
und drang allmählich tiefer. Ein Phänomen, das zu beobachten ihm schon mehrmals
möglich war. Ein wacher Mensch konnte sich unterbewußt dagegen sträuben, von
einem Empathen belauscht zu werden, selbst wenn er gar nicht wußte, daß ihm ein
Empath gegenüberstand. Er war irgendwie immer auf der Hut und bestrebt, sich
seine wahren Gefühle nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Natürlich gab es
dann und wann mal gewaltige Ausbrüche von Freude und Haß, die David Gallun fast
körperlich spürte, aber diese waren doch verhältnismäßig selten.
Im Schlaf war
es anders, vor allem, wenn der betreffende Mensch gerade träumte. Nicht nur,
daß er seine Wachsamkeit, seinen unbewußten Widerstand dann aufgegeben hatte,
nein, Träume waren im Prinzip nichts anderes als Mitteilungen des
Unterbewußtseins, der Versuch des Unterbewußtseins, Tagesereignisse
nachträglich zu Verdauen oder Probleme fast »im Schlaf« zu lösen.
Im Träumen
wurden Gefühle ehrlicher und aussagestärker.
Wenngleich
David Gallun Larry Brents Traum nicht mitträumen und exakt nachvollziehen
konnte, so spürte er dennoch, daß dieser Traum von einer Schlange beherrscht
wurde. Erstes Anzeichen für die Richtigkeit der Theorie, die er und X-RAY-17
aufgestellt hatten. Der chinesische Schlangengott, mit dem Larry Brent in
Berührung gekommen war, mußte wesentlich gefährlicher sein, als Larry Brent es
vermuten konnte. Dieser Schlangengott hatte erkannt, daß Larry Brent eine
Gefährdung für ihn darstellte und Gegenmaßnahmen ergriffen. Durch seine
unvorstellbaren Kräfte war es ihm gelungen, die Erinnerung an seine Existenz in
Larry Brent auszulöschen, um in Ruhe damit beginnen zu können, seine Macht
wieder auszubreiten.
Dazu paßte
auch Tanaka Kasukis Bemerkung, jetzt, nach seiner langen Einkerkerung in einer
Höhle sei der Schlangengott noch zu geschwächt. Er hatte es nicht auf eine
direkte Konfrontation ankommen lassen können und daher zu diesem Trick
gegriffen, um sich zu schützen.
Die
Eindringlichkeit des Traums nahm zu. David Gallun bekam undeutlich mit, wie
Larry Brent vor einer Schlange floh, von ihr gestellt wurde, ihre Augen als
Spiegel erkannte, sich selbst darin sah und dann - in einer doppelten
Spiegelung - in seinen eigenen Augen eine Schlange.
Damit hatte
Larry Brents Unterbewußtsein eine ganz deutliche Warnung gegeben. Die Schlange,
vor der Larry Brent floh, hatte ihn bereits lange eingeholt und befand sich -
sinnbildlich gesehen - schon in ihm: Die Erinnerung, die der Schlangengott
ausgemerzt hatte.
Doch Larry
Brent kämpfte dagegen an, sich seines Gedächtnisses beraubt zu sehen - eine
Auflehnung, die ihr Ventil eben in jenen Träumen fand, der einzigen
Möglichkeit, sich Larry Brent doch noch mitzuteilen.
Dann erwachte
X-RAY 3. Die Unruhe und Unzufriedenheit wich einem Gefühl der Ruhe und des
Erkennens. Larry sprach leise einen Namen aus. »Lao To Hiau ...«
David Gallun
entspannte sich. Er würde Larry Brent darüber informieren, was er
herausgefunden hatte.
Gallun war
mit dem Experiment zufrieden und überzeugt davon, daß Larry Brent in diesem
Moment begonnen hatte, den Bann des Schlangengottes abzuschütteln. Früher oder
später hätte er Lao To Hiaus Manipulation erkannt und überwunden und wäre von
selbst auf des Rätsels Lösung gekommen.
David Galluns
Vertrauen in seinen Agenten war ungebrochen. X-RAY-3 wußte, was er tat und was
er wollte. Sein und die besonderen Fähigkeiten, die ihn auszeichneten, waren
ungebrochen.
●
Tanaka Kasuki
blickte sich um. Das Treppenhaus lag verlassen; er konnte jedoch laute,
klappernde Schritte vernehmen. Sie kamen von unten.
Er spurtete
die Stufen hinab. Auf der Straße angelangt, blickte er sich um.
Nichts! Die
beiden Fliehenden hatten einen zu großen Vorsprung. Und das, obwohl einer davon
verletzt war!
Links von ihm
hatten sich einige Menschen zusammengefunden. Laut und aufgeregt sprachen sie
aufeinander ein. »Warum haben Sie sie denn nicht festgehalten ?« verstand X-RAY-17 ganz deutlich. »Das waren bestimmt Gangster, denen die
Polizei auf den Fersen war !« - »Und dann soll i c h
sie festhalten ?« klang eine andere Stimme entrüstet
auf. »Vielleicht hätten die mich einfach über den Haufen geknallt .«
»Unsinn!
Einer war verletzt. Er brauchte Hilfe«, warf eine Frauenstimme ein.
Tanaka Kasuki
lief weiter. Niemand
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