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0711 - Die Nacht der Wölfe

0711 - Die Nacht der Wölfe

Titel: 0711 - Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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erwartete.
    Aber noch war es nicht zu spät. Die Ranch lag abgelegen und möglicherweise hatte noch niemand etwas bemerkt.
    Chang sah zu den Neuen, die schlafend an der Höhlenwand lehnten. Sie waren erst seit der gestrigen Nacht Angehörige seines Volkes. Linda, Robert, Martin und Frank.
    Absichtlich hatte er ihnen große Wunden gerissen, um den Vorgang des Ausblutens zu beschleunigen. Erst wenn der letzte Blutstropfen den Körper verlassen hatte, brach der Keim aus. So war es bei ihm gewesen und bei allen anderen, die er kannte. Selbst der große Agkar, der noch aus dem alten Volk stammte und viele Jahrhunderte auf die Rückkehr seines Herrn gewartet hatte, war auf diese Weise zu einem der ihren geworden.
    Chang beschloss, die vier Neuen direkt zu seinem Herrn zu schicken. Vielleicht besänftigte ihre Anwesenheit seinen Zorn.
    Er stutzte. Vier?
    Das Gesicht des Mexikaners tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er hatte angenommen, Jorge und die anderen hätten ihn auf dem Weg zum Stall getötet. Warum war er aber dann nicht bei ihnen in der Höhle?
    »Wacht auf!«, befahl Chang mit lauter, wenn auch nicht ganz fester Stimme. »Macht schon!«
    Die anderen öffneten die Augen, kamen wie Roboter, die eingeschaltet werden, ohne Verzögerung auf die Beine. Sie hatten sich zurückverwandelt und blickten ihm aus menschlichen Gesichtern entgegen.
    »Was ist los?«, fragte Jorge.
    Chang ignorierte ihn und wandte sich an Linda, die abwesend mit der Hand über ihre Kehle fuhr, als könne sie immer noch nicht glauben, dass die riesigen Wunden auf ihrem Körper verschwunden waren.
    »Wo ist der Mexikaner?«
    Sie runzelte die Stirn. »Miguel? Ich habe ihn das letzte Mal in der Küche gesehen, bevor- nun, bevor wir uns veränderten.«
    Chang drehte sich um. »Hat einer von euch diesen Miguel getötet?«
    Robert und Martin hoben die Schultern. Adam sah betreten zu Boden.
    »Wir haben ihn wohl in dem ganzen Chaos übersehen«, sagte Danny. »Kann doch mal passieren.«
    Chang beherrschte sich nur mühsam. »Er ist ein Zeuge! Er hat gesehen, was wir sind. Wenn er aussagt, wird die ganze Welt uns kennen. Begreifst du das?«
    »Miguel ist stumm und kann nicht schreiben«, mischte sich Frank ein. »Wie sollte er jemandem davon erzählen?«
    »Sie werden eine Möglichkeit finden.« Chang trat aus der Höhle heraus in die nachmittägliche Sonne. »Wir müssen zurück zur Ranch. Vielleicht haben wir Glück und finden ihn vor der Polizei.«
    Die anderen widersprachen ihm nicht. Agkar hatte Chang zum Anführer der Mission ernannt, vermutlich weil er als Mensch der Älteste von ihnen gewesen war. Zu seinem neuen Leben war er jedoch am gleichen Tag gekommen wie Jorge, Danny, Adam und Li - und das war gerade mal zwei Monate her.
    Chang verfiel in Laufschritt. Seit der Verwandlung war sein Körper stark und schnell. Zwar hatte er sein Gewicht behalten, aber er trug es, ohne die Belastung zu spüren.
    Ich bin neu geboren, dachte Chang, während die Bäume an ihm vorbeizufliegen schienen. Die Götterdämonen haben uns allen ein zweites Leben geschenkt.
    Er dachte an die Nacht und an das Blut der Pferde, in dem sie sich nackt und wild gesuhlt hatten. Noch immer klebte es an seinem Körper wie das Überbleibsel einer Taufe, mit der er sich endgültig von allem Menschlichen gereinigt hatte. Es gab nur noch zwei Gefühle in seinem Leben: die Freude auf den Kampf und die Sehnsucht, seinem Herrn zu dienen.
    Chang erreichte den Rand des Waldes und blieb so abrupt stehen, dass Jorge nur mit einem Sprung zur Seite einer Kollision entging.
    Sie waren zu spät.
    Frustriert sah Chang die Polizisten, die damit begonnen hatten, die Ranch abzuriegeln. Er zählte zwanzig, vielleicht auch mehr, die meisten davon in Autos. Selbst wenn es ihm und den anderen gelang, unentdeckt bis zu ihnen vorzustoßen, würden doch einige mit den Wagen entkommen.
    »Vermutlich haben sie den Mexikaner längst in die Stadt gebracht«, sagte Jorge. »Es hat keinen Sinn sie anzugreifen.«
    Chang nickte langsam. »Noch hat es keinen Sinn.«
    Er bemerkte Jorges fragenden Gesichtsausdruck und lächelte schweigend.
    ***
    Einen Tag später
    Yellowfeather schenkte zwei Tassen Kaffee ein und öffnete die Tür zum Zellenblock. Er und der Mexikaner hatten beide Glück gehabt. Miguel, weil der Schuss ihn um mehr als einen Meter verfehlte, ihn aber so erschreckte, dass er zu Boden ging und liegen blieb. Er selbst, weil der Zusammenprall mit der Stalltür ihm weder die Nase gebrochen noch den

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