0711 - Die Nacht der Wölfe
yu…«
Er brach ab, als er die Bedeutung der Worte begriff. Es war eine Warnung, versteckt in einem Teil der Prophezeiung. Und sie richtete sich an Zamorra!
Egal, wie die Umstände waren und was auf dem Spiel stand, er durfte den Hong Shi niemals wieder benutzen.
Fu Long legte die Schriftrolle beiseite und griff zum Telefon.
Hoffentlich war es noch nicht zu spät…
***
Einen Tag später
Zamorra setzte die Sonnenbrille auf und nahm Nicole in den Arm. Die Wunde in seiner Schulter verheilte schnell, was wohl auch ein Effekt des Hong Shi war. Auch Brooke hinkte nur noch ein wenig, als er mit Miguel und Yellowfeather aus dem Sheriffbüro trat.
Um Zamorra herum erwachte die Stadt.
Übertragungswagen verschiedener Fernsehgesellschaften standen am Straßenrand, Reporter füllten den Diner und die Einwohner von Dusty Heaven wiederholten vor den Kameras die Geschichte der schrecklichsten Nacht ihres Lebens. Sie begriffen nicht, was ihnen geschehen war, sprachen vor den Reportern entweder von einer Sekte, einer Biker-Gang oder von beidem. Vielleicht war es so auch besser.
Vierzig Tote und ein Sachschaden in Millionenhöhe. Zumindest der befürchtete Steppenbrand war ausgeblieben. Trotzdem war es eine Katastrophe und einer der brutalsten Angriffe, die Zamorra je von schwarzmagischer Seite erlebt hatte.
»Glaubst du, dass wir alle erwischt haben?«, fragte er Nicole leise.
»Ich hoffe es. Zumindest auf dem Platz hat keiner überlebt.«
Er nickte und sah, wie Miguel einen letzten Blick auf die Stadt warf. Sie hatten sich im Sheriffs Office bereits verabschiedet, und Zamorra wollte ihn in diesem Moment nicht mehr stören.
»Muss das wirklich sein, Steve?«, fragte er stattdessen.
Brooke hob die Schultern. »Er ist ein illegaler Einwanderer. Ich kann an den Gesetzen nichts ändern.«
Zumindest die Handschellen und den Gefängnisoverall hatte Miguel ablegen dürfen. Er stieg in ganz normaler Kleidung in den Wagen.
Brooke nickte Zamorra noch einmal zu, dann setzte er auch er sich ins Auto und startete ohne ein weiteres Wort den Motor.
Der Professor blieb stehen, bis der Wagen hinter den letzten Häusern verschwunden war. Neben ihm schüttelte Yellowfeather den Kopf.
»Was für ein Arschloch.«
***
Miguel sah aus dem Fenster, prägte sich jeden Strauch und jeden Vogel ein, den er an der Straße bemerkte. Trotz der letzten Tage hatte er hier in Dusty Heaven die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht. Nichts davon wollte er in Mexiko vergessen.
Er fragte sich, was er tun sollte, wenn er in seinen Heimatort zurückkehrte. Seine Eltern waren längst tot, und es gab niemanden dort, den er noch kannte. Es würde ein sehr einsames Leben werden.
Der Wagen stoppte.
Brooke schaltete den Motor ab und drehte sich zu Miguel um. Seine blauen, ruhigen Augen musterten ihn.
»Ich habe in meiner Karriere noch nie einen so großen Fehler gemacht wie heute«, sagte er. »Einfach so einen unverschlossenen Wagen zu verlassen, in dem auch noch ein Gefangener sitzt, das ist sehr dumm. Es würde niemanden wundern, wenn der verschwindet.« Er lächelte knapp. »Solche Dinge passieren.«
Miguel beobachtete, wie Brooke die Tür öffnete, den Wagen verließ und die Straße entlang hinkte. Miguel hätte ihm gerne gedankt, aber dafür hätte Brooke sich zu ihm umdrehen müssen.
Doch das tat er nicht.
Nach einem Moment stieg er ebenfalls aus, setzte seinen Hut auf und ging zurück nach Dusty Heaven.
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 707 »Im Schatten des Vampirs«
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