0711 - Die Nacht der Wölfe
fortfuhr. »Hören Sie, Sheriff, ich weiß, dass Sie dieser Fall persönlich betrifft. Sie kennen die Opfer ebenso wie den Täter.«
»Mutmaßlichen Täter«, korrigierte Yellowfeather.
»Wenn Sie meinen. Vielleicht liege ich falsch, aber ich glaube, dass Sie noch nie mit einem Gewaltverbrechen zu tun hatten. Sie wissen nicht, wie man in einem solchen Fall handelt, ich schon. Also lassen Sie mich meine Arbeit machen. Okay?«
Sein Gegenüber setzte zu einer Erwiderung an, aber ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn.
»Ja!«, rief er ungeduldig.
Helles Sonnenlicht fiel in den Raum, als die Tür geöffnet wurde. Brooke sah einen hochgewachsenen, dunkelblonden Mann und eine kleinere, sehr hübsche Frau.
»Mein Name ist Zamorra«, sagte der Unbekannte. »Und das ist meine Assistentin Nicole Duval.«
***
»Warum ausgerechnet ich?«, fragte Jorge.
Er stand mit Chang, Adam, Danny und Li am Rande eines Canyons und sah nervös auf die Ortschaft hinab. Die frisch Veränderten befanden sich bereits auf dem Weg zu ihrem neuen Herrn. Sie waren noch zu unerfahren, um in den Kampf geschickt zu werden.
»Weil«, erklärte Chang, »du wie ein Mexikaner aussiehst und hier nicht auffallen wirst. Den Vorteil hat sonst keiner von uns.«
Jorge sah seine vier chinesischen Begleiter an. Der Einwand war logisch, denn in einer so kleinen Stadt fiel jeder Ausländer, der kein Mexikaner war, sofort auf.
Er strich sich über seine zerknitterte Jacke. Sie hatten sich selbst und ihre blutige Kleidung in einem Fluss gewaschen. Richtig sauber war sie zwar nicht geworden, aber zumindest hatten sie den Ursprung der Flecken verschleiern können. Das musste reichen.
»Du unternimmst nichts«, sagte Chang. »Sieh dich nur um und versuche herauszufinden, ob die Polizei Informationen von dem Mexikaner bekommen hat.«
»In Ordnung.«
Er nickte den anderen zu und verließ ohne ein weiteres Wort den Canyon. Er verstand nicht, warum Agkar nicht ihn zum Kommandanten der Mission ernannt hatte. Schließlich war er in seiner vampirischen Existenz jahrzehntelang den Befehlen seines Herrn Don Carlos gefolgt, und der war immerhin der Herrscher über die vier Vampirfamilien von Kalifornien.
Aber seine Kampferfahrung schien Agkar nicht zu interessieren, denn die Wahl war auf Chang gefallen.
Missmutig ging Jorge weiter. Hätte er das Kommando gehabt, wäre es nicht zu dem Massaker auf der Ranch gekommen. Er war von Anfang an dagegen gewesen, das Haus zu überfallen. Wenn so viele Menschen auf einmal verschwanden, weckte das natürlich das Interesse der Polizei, vor allem, weil so deutliche Spuren zurückgeblieben waren.
Den Blutrausch, dem sie alle verfallen waren, konnte er sich jedoch nicht erklären. Als Vampir war ihm so etwas fremd gewesen. Sein neues Leben hatte er wohl noch nicht so gut im Griff, wie er angenommen hatte.
Jorge erreichte die ersten Häuser der Ortschaft: Ein großes Schild wies ihn darauf hin, dass Dusty Heaven von einhundertsiebzehn Menschen bewohnt wurde und vorsichtige Autofahrer willkommen hieß. Er nahm an, dass die umliegenden Farmen in die Bevölkerung eingerechnet wurden, denn die Handvoll Häuser, die er zu beiden Seiten der Hauptstraße sah, wurden kaum von so vielen Menschen bewohnt.
Dann werden sie das Schild ändern müssen - einhundertsiebzehn minus vier Farmbewohner , dachte er sarkastisch.
Er trat in den Schatten eines Hauses und sah hinaus auf die Straße. Ein Polizeiwagen und ein weißer Chevy waren die einzigen Fahrzeuge, die dort parkten. Vor dem Diner saßen zwei alte Männer unter Sonnenschirmen und spielten Dame. Sonst war niemand zu sehen.
Die meisten Bewohner der Ortschaft arbeiteten wohl draußen auf den Farmen oder hatten sich bei der Hitze in ihre Häuser zurückgezogen.
Wie soll ich hier etwas herausfinden?, dachte er. Es gab keine Menschen, die er beobachten, und keine Gespräche, die er belauschen konnte. Vielleicht änderte sich das, wenn die Bar öffnete, aber wenn er sich so lange auf der Straße herumtrieb, fiel er garantiert auf. Es gab nur eine Möglichkeit - er musste zurück in den Canyon und am Abend wiederkommen.
Jorge seufzte. Diese Mission verlief nicht im geringsten so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er drehte sich um, als er ein Motorengeräusch hinter sich hörte. Neugierig beobachtete er einen dunklen, staubbedeckten Geländewagen, der neben dem Chevy stoppte. Einen Moment später stiegen zwei Personen aus.
Jorge sah nicht, wer den Wagen auf der Beifahrerseite verließ, den
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