0713 - Roboter lügen nicht
erinnern: Ein Arzt wahrscheinlich, dachte sie, ein ziemlich junger Mann, hellbraune Haut, vermutlich an Bord geboren.
„Wie geht es dir, Schwester?" fragte er sanft.
Sie nahm ihm die vertrauliche Anrede nicht übel. Unter den an Bord der SOL Geborenen hatten sich neue Umgangsformen entwickelt, die allmählich auch auf die ältere Generation übergriffen. Bruder, Schwester, Sohn und Tochter waren gängige Anreden, die leichthin gebraucht wurden, ohne tiefsinnige Bedeutung und allein mit der Absicht, die eigene freundliche Gesinnung zum Ausdruck zu bringen.
„Danke", antwortete Vylma und versuchte ein Lächeln, „ich kann mich nicht beklagen. Ihr habt euch Mühe mit mir gegeben, nicht wahr?"
„Das mußten wir wohl", sagte der Arzt und wurde plötzlich ernst. „Das Ding hat dich ziemlich bös zugerichtet."
„Das Ding?" grübelte sie. „Was für ein Ding?"
„Das wollten wir eigentlich alle von dir wissen, Schwester", beantwortete er ihre Frage. „Bis jetzt hat niemand eine Ahnung, was dir dort unten auf dem C-Deck eigentlich zugestoßen ist."
Vylma schüttelte leicht den Kopf.
„Ich weiß es auch nicht. Ich sah einen Schatten auf mich zukommen, riesengroß... und dann war es aus."
Der junge Arzt seufzte.
„Seit ein paar Wochen ist der Teufel los, und von Tag zu Tag wird es schlimmer", klagte er. „Mich nimmt ja niemand ernst, weil ich nur Mediziner bin, aber ich behaupte, es hat mit den Gadgets zu tun, die in immer größerer Zahl an Bord kommen."
„Gadgets...?" murmelte Vylma verstört. „Immer größere Zahl...?"
„Ja, du weißt doch..."
„Sei still!" fuhr sie ihn an.
Das war es, worüber sie nachgegrübelt hatte, bevor sie wieder zu sich kam! Die Zahl der Gadgets! Und jetzt erinnerte sie sich auch plötzlich, warum der Gedanke sie so beschäftigt hatte. Es war eine Idee, die ihr unbewußt schon gekommen sein mußte, bevor sie mitten in der Nacht in einem Lagerraum des C-Decks niedergeschlagen wurde.
Auf einmal wußte sie, worum es ging. Sie stützte sich auf die Ellbogen und drückte den Oberkörper in die Höhe.
„Ich muß rasch mit jemand sprechen!" sagte sie drängend.
„Irgend jemand von der Bordsicherheit!"
Der junge Arzt machte ein zweifelndes Gesicht.
„Auf nichts warten sie sehnsüchtiger als auf das!" sagte er.
„Jeden Tag kriegen wir ein Dutzend Anfragen, wann du endlich verhörfähig sein würdest. Aber ich weiß nicht, ob du jetzt schon..."
„Unsinn!" unterbrach sie ihn. „Ich bin kräftig genug. Außerdem ist jeder Aufschub gefährlich!"
Er stand auf. Zweifel spiegelte sich noch immer auf seinem Gesicht.
„Ich muß mich erst bei der Diagnostik erkundigen", meinte er.
„Du übernimmst eine Riesenverantwortung", drohte Vylma, „wenn du nicht sofort einen Offizier von der Bordsicherheit rufst...!"
Das gab den Ausschlag.
*
Mit dem Erfolg ihres Drängens konnte Vylma durchaus zufrieden sein. Es war nicht irgendein Offizier der Bordsicherheit, der sie anhören kam, sondern Galbraith Deighton selbst.
„Ich habe zwar behauptet, daß meine Angelegenheit wichtig sei", sagte Vylma ein wenig verlegen, als sie den Mann erkannte, der ihre kleine Krankenzelle betrat, „aber ob sie nun so wichtig ist, daß Sie sich selbst bemühen mußten, da bin ich nicht so ganz sicher."
Deighton ließ sich auf einem Stuhl nieder, den man für ihn zurechtgeschoben hatte. Seine Begleiter verließen den Raum.
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen", tröstete er Vylma.
„Selbst wenn Ihre Aussage völlig belanglos wäre, hätte ich immer noch Gelegenheit bekommen, Ihnen zu Ihrer Wiederherstellung zu gratulieren."
Vylma stürzte sich mitten ins Thema.
„Ich war noch nicht ganz wieder da, da fing ich an zu grübeln", schilderte sie, woran sie sich erinnerte. „Es ging um Gadgets. Als ich erwachte, wußte ich nicht mehr, worüber ich mir den Kopf zerbrochen hatte. Aber der Arzt, der vor kurzem hier war, brachte mich wieder darauf. Wieviel Gadgets sind inzwischen gefunden worden?"
„Dreiunddreißig während der letzten vier Tage", antwortete Deighton, der die Zahl noch genau im Sinn hatte.
„Und vorher?"
„Höchstens eine Handvoll... vier oder fünf."
„Finden Sie das nicht merkwürdig?"
„Nein. Immerhin haben wir mit der organisierten Suche erst vor vier Tagen begonnen, und früher standen uns auch die Peiler nicht zur Verfügung, mit denen man die Gadgets ausmachen kann."
„Das ist richtig", gab Vylma zu. „Es gab zuvor keine organisierte Suchaktion, und
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