0717 - Das Treibhaus des Schreckens
glaube, dass sie die eigentliche Macht sind, die dahinter steckt.«
»Wenn das deine Meinung ist, okay. Ich jedenfalls lasse mich überraschen.«
Wir hatten die Halle verlassen. Mr. Abbot hielt uns eine Glastür auf. Durch sie betraten wir den anderen Teil des Gebäudes, wo die Verwaltung untergebracht war.
»Darf ich Sie bitten, die Treppe zu benutzen? Es ist im ersten Stock.«
Abbot ging wieder vor. Dann durchschritt er einen Flur bis zum Ende. Vor der letzten Tür blieb er stehen, öffnete sie und ließ uns in ein Vorzimmer treten.
Es war leer. Ein verwaister Schreibtisch, eine elektrische Schreibmaschine, zwei große Pflanzen, die schon fast die Decke erreicht hatten.
Mir fiel auf, dass Abbot nervös geworden war und die Pflanzen anstarrte.
»Haben Sie was, Mr. Abbot?«
»Nein, im Prinzip nicht. Nur«, er räusperte sich und schüttelte den Kopf, wobei er auf die Pflanzen zeigte, »diese kenne ich ja. Ich habe sie erst gestern gesehen.«
»Ja und?«
»Da kamen sie mir kleiner vor, Mr. Sinclair. Wenn ich ehrlich sein soll, sogar viel kleiner.«
Ich gab die Antwort etwas spöttisch. »Sie wollten doch glückliche Pflanzen haben. Jedenfalls sagten Sie uns das. Jetzt sind die Pflanzen glücklich geworden und gewachsen. Vielleicht hat die Sekretärin sie mit dem hauseigenen Präparat gefüttert.«
Sein Lächeln war sehr gequält. Er enthielt sich einer Antwort und schritt auf die Tür zum Chefzimmer zu, die er mit zwei langen Schritten erreichte.
Er klopfte an, erhielt keine Antwort, klopfte noch einmal und ließ den Arm sinken. Dann drehte er sich um.
»Mr. Flechter scheint nicht anwesend zu sein. Dabei hat er versprochen, auf uns zu warten.«
»Ist das denn schon öfter vorgekommen?«, fragte ich ihn.
»Nein, eigentlich nie.«
»Dann gehen Sie hinein, bitte.«
»Ja, das werde ich auch machen«, murmelte er.
»Mein Gefühl«, flüsterte Suko, »sagt mir genau, dass da etwas nicht in Ordnung ist.«
»Werden wir gleich sehen.«
Abbot war vorgegangen, aber auf der Schwelle stehen geblieben.
Die Tür hatte er aufgedrückt, hielt mit der Rechten die Klinke noch wie einen Rettungsanker fest.
»Mr. Fletcher?«, hörten wir ihn fragen, dann drehte er sich um.
»Sorry, aber er ist nicht da. Das ist nicht normal.«
Ich ging auf ihn zu. »Darf ich?«, fragte ich ihn und drückte ihn kurzerhand zur Seite, wobei die Tür bis zum Anschlag aufschwang und ich freie Bahn hatte.
Das Büro war nicht sehr groß, sehr zweckmäßig eingerichtet, ohne Prunk und Protz. Der Schreibtisch, die gepolsterten Besucherstühle, der Computer, das alles kannte ich, es fiel in einem Büro nicht weiter auf.
Anders die große Pflanze. Sie war noch mächtiger als die beiden im Vorzimmer. Sie stand neben dem Fenster, hatte sich aber zum Licht hingedreht, sodass sie eine schiefe Haltung angenommen hatte. Ihre Stängel waren dick, die Blätter zahlreich. Und dieses üppige, glitschige, fette Grüne umklammerte ein Bein, das aus der grünen Masse hervorragte.
Jetzt wusste ich, wo Mr. Fletcher war…
***
Bisher hatte nur ich diese schaurige Entdeckung gemacht, weil ich in einem bestimmten Winkel zu dieser Horrorpflanze stand. Ich spürte in mir noch keine Reaktion, dachte nur daran, dass mein Freund Suko mit seinem Gefühl Recht behalten hatte. Dieser Fall war alles andere als harmlos. Er war zu einem skurrilen, grausamen Drama ausgewachsen, und für einen Moment hegte ich die Hoffnung, dass Schuh und Bein nicht echt waren und man sie einfach als künstliches Gebilde in diesen Pflanzentopf geschoben hatte.
Meine Haltung war auch Sylvester Abbot aufgefallen. Er sprach mich an und wollte wissen, was ich hatte.
»Gehen Sie«, sagte ich. »Verlassen Sie das Zimmer!«
»Aber ich…«
»Hauen Sie ab, Mann!«
Diese Sprache lag mir zwar nicht, sie war die Einzige, die er verstand. Hastig zog er sich zurück. Ich schaute mich um.
Suko war in das Büro gehuscht. Auch er hatte noch nichts entdeckt und fragte nur: »Was ist denn los?«
Ich wies mit der Zeigefingerspitze auf die Pflanze und genau dorthin, wo der Schuh aus der Lücke zwischen Stängel und Blättern hervorragte.
Jetzt bewegte er sich. Er ruckte nach unten, als hätte etwas in der Blumenerde daran gezogen.
Das hatte auch Suko gesehen. Ich hörte ihn saugend einatmen.
Gleichzeitig verlor sein Gesicht Farbe und seine Augen wurden zu starren Kugeln.
»Mein Gefühl«, hauchte er.
»Ja, du hattest Recht.«
»Ist es Fletcher?«
»Ich gehe davon aus.« Bisher hatte ich
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