0717 - Stygias Opfer
Nicole war, begriff er sofort - noch zwei, drei Sekunden vor seinem Auftauchen war das Amulett verschwunden, das sie in der Hand gehalten hatte. Sie musste es also dem negativen Zamorra irgendwie abgetrickst haben, und der holte es sich gerade jetzt zurück…
Jetzt, da Zamorra sich auf dem Friedhof befand, sah er, wie die flimmernde Gestalt deutlicher sichtbar wurde. Er erkannte einen Menschen, der gerade auftauchte und im nächsten Moment schon wieder in einer anderen Sphäre verschwinden wollte.
Zamorra dachte nicht mehr nach -er handelte einfach nur. Er riss Nicole mit sich auf den Verschwindenden zu. Dennoch erwischte ein Teil von Gryfs Magie sie beide noch. Aber irgendwie schien sich das nun positiv auszuwirken.
Denn im nächsten Moment befanden sie sich beide nicht mehr auf den nebligen Friedhof, sondern auf einer Wiese unter freiem Himmel.
Genau die Wiese, die Zamorra zwischen den Häusern gesehen und betreten hatte…
Und da war auch der Flimmermann!
»Hoch - und weg hier!«, schrie Zamorra seine Gefährtin an.
Er sah sie aufspringen und bückte sich selbst nach dem Mann, der schon wieder flimmerte und in die nächste Sphäre abgleiten wollte.
Zamorra bekam ihn zu fassen. Riss ihn mit sich, jagte in einem weiten Sprung von der Wiese auf Gehsteig und Straße hinaus und fand erst danach Zeit, sich zu wundern, warum der Mann so unwahrscheinlich leicht war…
Zugleich funktionierte sein Amulett auch wieder.
Im nächsten Moment geschah etwas Eigentümliches.
Die Wiese verblaßte.
Einen kurzen Augenblick lang glaubte Zamorra den Nebelfriedhof zu sehen und darauf den Spiegelwelt-Druiden, aber dann gab es auch dieses Bild nicht mehr, sondern wieder das Spukhaus…
Und auch das verschwand!
Es wich einem schwarzen Nichts, das sich kurz aufblähte, um sofort wieder in sich zusammenzufallen wie der Lichtblitz einer Explosion.
Auf der anderen Straßenseite knirschte und krachte es.
Das andere Haus, das irgendwie mit dem Spukhaus verbunden war, stürzte in sich zusammen!
Der Boden zitterte.
Dann war wieder alles ruhig.
***
»Nein!«, schrie Stygia wütend auf. »Was hast du getan, du Narr?«
Gryfs magischer Schlag hatte Zamorra und Duval nur gestreift, dabei aber das Geschenk getroffen, das der Druide der Dämonin gemacht hatte. Und zwar genau im Moment des Wechselns in eine der anderen Tor-Ebenen.
Jetzt brach das Tor in sich zusammen!
Die Verbindung zwischen realer und gespiegelter Welt existierte nicht mehr. Kurz flackerte noch der Weg in jene andere Sphäre.
Stygia begriff, dass sie nur noch eine Chance hatte - diesen Weg musste sie nehmen, wenn sie nicht in der Spiegelwelt gefangen bleiben wollte!
Sie jagte mit rasendem Flügelschlag in die andere Welt hinein, nur wenige Sekundenbruchteile, bevor auch diese Toröffnung verlosch. Sie hörte noch Gryfs gellendes Lachen.
Dann war alles vorbei, gab es die Verbindung zwischen den Welten nicht mehr. Und Stygia befand sich in einer ihr fremden Umgebung.
Aber das war kein sonderlich großes Problem.
Es gab überall Weltentore, die sie benutzen konnte, um in die Hölle zurückzukehren. Von hier aus war das nicht schwierig. Aus der Spiegelwelt dagegen wäre sie allenfalls in eine Spiegelhölle gelangt.
Ihr Plan, einen Zugang zur anderen Welt zu gewinnen, war zunächst gescheitert. Sie musste weitersuchen.
Seneca und Zamorra waren die Schlüsselfiguren, um die sie sich dafür künftig kümmern musste. Dabei hatte ihr Calderone zu helfen, trotz all seiner immer penetranter werdenden Aufmüpfigkeit.
Eine Schlacht war verloren, aber noch nicht der Krieg.
***
Bei Tageslicht sahen die Baulücken in der Straße fast normal aus. Beide Häuser existierten nicht mehr - es gab nicht einmal mehr die Trümmer. Statt dessen sahen die beiden kleinen Grundstücke aus wie ungenutzte Bauplätze.
Zamorra zuckte mit den Schultern.
Mit diesem Phänomen sollten sich die Pariser Behörden herumschlagen. Er schaute sich die Sache nur noch einmal an, konnte wiederum keine Spur von Magie feststellen und beschloss, die Angelegenheit zu den Akten zu legen.
Der Mann, den sie aus der anderen Welt gerettet hatten, war ein Reporter und hieß Antoine Devere. Sie hatten ihn ins Krankenhaus gebracht, und die Ärzte konnten nur die Köpfe schütteln - nach ihrer Einschätzung hätte Devere gar nicht leben können. Er litt unter Knochen- und Gewebeschwund. Vielleicht würde er Jahre brauchen, um sich zu erholen. Zamorra beschloss, seine Behandlung von der deBlaussec-Stiftung
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