0718 - Tango Fatal
das Kleid wurde durch dünne Träger gehalten, die sich wie Bänder über die nackte Haut an ihrer Schulter schmiegten. Der Saum endete über dem Knie. Ob sie Strümpfe trug, konnte ich nicht sagen, die Füße allerdings steckten in hochhackigen, dunklen Schuhen. Sie trug das Haar auch nicht mehr zu einem Knoten, sondern gelöst. Es umgab ihren Kopf wie schwarze Wellen, die auf den bloßen Schultern endeten. Die kleinen Lampen reichten aus, um auch ihr Gesicht deutlich hervorzuholen. Es zeigte ein Lächeln, von dem ich mich allerdings nicht täuschen ließ. Auf mich wirkte es gefährlich, lauernd und irgendwo auch böse.
»Ich freue mich, daß du da bist, Sinclair.«
»Davon kann bei mir keine Rede sein.«
»Ho, ho… wie das? Schau dich um.« Sie bewegte ihre Arme. Das wiederholte sich genau ein Dutzend Mal, so viele Spiegel hatte ich mittlerweile gezählt. »Ist das nicht ein besonderer Ort, an den ich dich geführt habe?«
»Weiß ich nicht. Ich kenne mich bei Tanzschulen nicht so aus. Aber möglich ist es.«
»Nein, das meine ich nicht, Sinclair. Obwohl, das gebe ich zu, es schon etwas für sich hat. Du befindest dich tatsächlich im Mittelpunkt dieses Hauses. Und der Saal hier ist der Ort, an dem die Schüler den Tango und andere Tänze geübt haben.«
»Also doch…«
»Aber«, sie hob die Stimme an. »Er ist auch noch etwas anderes, mein Freund.«
»Und was, bitte?«
»Eine Stätte des Todes…« Sie hatte den Satz geflüstert, und ich bekam eine Gänsehaut. »Ja, eine Stätte des Todes«, wiederholte sie, »denn hier sind meine Eltern gestorben. Genau hier hat man sie brutal vernichtet, grausam getötet, verstehst du?«
»Sicher.«
»Und was denkst du nun?«
»Du weißt, daß ich den Mord ablehne. Aber könnte es sein, daß deine Eltern sich dies selbst zuzuschreiben hatten?«
»Das begreife ich nicht, John. Noch mal. Los, verdammt, rede! Was meinst du damit?«
»Deine Eltern haben Fehler gemacht. Soviel mir bekannt ist, verbündeten sie sich mit anderen Mächten. Mit gefährlichen Kräften, die man in Ruhe lassen sollte.«
»Weiter, Sinclair, weiter…«
»Ich sage es nur so. Es ist eine allgemeine Tatsache. Noch nie hat jemand davon profitiert, wenn er sich der Schwarzen Magie angeschlossen hat. Verstehst du das?«
»Ich weiß, was du meinst, aber du irrst dich. Meine Eltern wußten sehr wohl, mit diesen Kräften umzugehen. Du brauchst keine Sorgen zu haben, sie schafften es, die Hölle auf ihre Seite zu ziehen, und die Hölle hat sie nicht enttäuscht.«
»Die Hölle oder der Teufel?«
»Ein Dämon. Ob man ihn als Teufel bezeichnen kann, weiß ich nicht. Kann aber sein. Denk daran, woher wir kommen. In Argentinien gehen die Uhren anders. Da hat man in gewissen Kreisen ein anderes Verhältnis zum Übersinnlichen. Jedenfalls haben die fremden Kräfte meine Eltern unterstützt, und sie haben sich dieser Unterstützung würdig erwiesen.«
»Indem sie Menschen töteten.«
»Nein, erst später. Sie wollten sie überzeugen. Sie kamen zu ihnen, um das Tanzen zu lernen, und sie lernten gleichzeitig noch etwas anderes. Diese Welt ist eben sehr vielschichtig, das weißt du auch. Und meine Eltern wollten die jenseitigen Kräfte mit einbeziehen, aber sie täuschten sich in diesem Pack. Es wollte nicht, es hat nicht so gedacht wie die damals in Argentinien, in Buenos Aires, als die Familie Sanchez im Zenit ihrer Macht stand. Da haben meine Eltern bereits den Kontakt zu den anderen Mächten gehabt, der uralte Zauber war da, denn sie schafften es, den Dämon zu beschwören und auf ihre Seite zu ziehen.«
»Welchen Namen hat er?«
»Warum? Kennst du dich denn aus?« höhnte sie.
»Und ob ich mich auskenne, Ramona. Also, wie hieß der Dämon, dem deine Eltern huldigten?«
Ramona überlegte. Sie hob sogar die Schultern und meinte dann: »Es ist nicht wichtig, wenn ich dir den Namen sage, den wir ihm gaben. Unter einem anderen ist er besser bekannt.«
»Wie heißt er?«
»Beelzebub!«
Ich zuckte nur kurz zusammen, da ich auf alles gefaßt gewesen war. Ich hatte mit Asmodis gerechnet, aber daß sie Beelzebub huldigten, war schon eine Überraschung.
In den folgenden Sekunden schoß mir einiges durch den Kopf. Ich beschäftigte mich mit dem Begriff Hölle und dachte natürlich dabei an das Böse.
Über allem stand Luzifer!
Er oder es - genau konnte man ihn nicht fassen und begreifen - war das absolut Böse. Das Schreckliche, das Grauenhafte. Er war derjenige, der vernichten wollte, der sich als
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