0718 - Tango Fatal
Augen und dem starren Mund, der in dem blassen Gesicht wie eine eingeschnittene Höhle wirkte.
Ich schluckte mehrmals und fühlte mich verdammt schlecht. Ich selbst hätte diesen Mann vor dem Tod retten können, aber ich war einfach zu spät hier erschienen.
Jetzt ging nichts mehr.
Mein Mund war trocken geworden. Auf der Stirn lag der kalte Schweiß. Auf dem Rücken hatte sich die Gänsehaut ausgebreitet, und ich hatte das Gefühl, allmählich Fieber zu bekommen.
Piccard trug noch immer seinen grauen Anzug. Nur war die Krawatte nicht mehr so korrekt gebunden. Er hatte den Knoten vom Hals weggezerrt und den obersten Hemdknopf abgerissen. Wahrscheinlich in einem Anfall von Todesangst, und er mußte zudem Schreckliches gesehen haben, wenn ich dem Ausdruck seines Gesichts Glauben schenken sollte.
Wer oder was war sein Mörder gewesen? Wer hatte ihn getötet?
Ich ließ den Strahl über seine Gestalt wandern, weil ich nach der Todesursache forschte. Auf irgendeine sichtbare Art und Weise mußte er ja ums Leben gekommen sein.
Ich sah nichts.
Keine Wunde, kein Einschußloch, auch nicht den Kanal eines Messerstichs. Weder auf der Brust noch auf dem Rücken, als ich die starre Leiche umgedreht hatte.
Sein Tod blieb ein Rätsel.
Ich drehte die Leiche wieder herum, weil ich mich auf das wächsernstarre Gesicht konzentrieren wollte. Es mußte doch herauszufinden sein, wie er ums Leben gekommen war.
In den Augen lag kein Leben mehr. Die Pupillen waren starre Halbkugeln ohne Glanz. Und seine Lippen hatten beinahe die Bleichheit des Gesichts angenommen.
Der Schrecken aber stand darin wie festgeschrieben.
Was hatte der Mann gesehen? Was war ihm in den letzten Sekunden seines Lebens begegnet?
Dem Ausdruck nach zu urteilen, mußte es etwas ungemein Schreckliches und Grausames gewesen sein. Etwas, das einen Menschen zu Tode erschrecken konnte.
Und darüber dachte ich nach.
Was konnte einen Mann wie Pierre Piccard so fertigmachen, daß er daran starb?
Ein Vorgang, ein Bild, etwas, das sein Leben brutal zerstörte. Etwas, das er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen auszumalen gewagt hätte. Das alles stand in den starren Zügen.
Pierre Piccard war ein gläubiger Mensch gewesen. Er kannte den Unterschied zwischen Gut und Böse haargenau. Er wußte, wie die Welt nach einer gewissen Lehre geordnet war. Er glaubte an das Gute, er lehnte das Böse ab, aber genau dies mußte ihn erreicht und eben durch sein Erscheinen zu Tode erschreckt haben.
Eine andere Lösung kam für mich nicht in Betracht, wenn ich den Gesichtsausdruck richtig interpretierte.
Ich ließ meine Hand über die Haut gleiten. Sie war noch nicht richtig erkaltet, und ich dachte daran, daß ihn das Böse unter der Sonne getötet hatte.
Die Hölle war gekommen, der Teufel, vielleicht Dämonen oder die unheimliche Macht aus dem geheimnisvollen Haus. Hatte sie jetzt ihren Ort verlassen, um das gesamte Dorf unter ihre Fuchtel zu bekommen? Möglich war das, ich traute der Hölle und ihren Dienern auch das Schlimmste überhaupt zu und bekam eine Gänsehaut, wenn ich daran dachte, daß es in diesem Haus Einzug gehalten hatte.
War es noch da?
Ich richtete mich wieder auf. Der Gedanke war mir sehr plötzlich gekommen und nicht von der Hand zu weisen.
Ich holte mein Kreuz hervor, weil ich einfach davon überzeugt war, daß es sich erwärmt hatte. Es war ein Indikator für Schwarze Magie, es zeigte mir an, wer das Böse war und wo es sich aufhielt.
Das Silberkreuz lag auf meinem Handteller. Es bildete einen Pol der Ruhe und des Vertrauens.
Aber es gab auch seine Wärme an meine Haut ab.
Also befand sich etwas in der Nähe.
Ich ging zwei Schritte von der Leiche weg und blieb neben dem wuchtigen Schreibtisch stehen.
So wartete ich ab.
Die Spannung in mir stieg, je mehr Sekunden verstrichen. Ich hatte das Gefühl, immer stärker unter Strom gesetzt zu werden.
Auf einmal geschah es.
Ich kannte den Grund nicht. Vielleicht hatte ich die andere Kraft auch gereizt, wer konnte das schon sagen, jedenfalls hielt sie sich hier unsichtbar auf, und ich hörte sie auch.
Ein tiefes, unheimliches und grausam klingendes Stöhnen drang an meine Ohren, immer lauter…
***
Ich rührte mich nicht von der Stelle, horchte aber genau hin und fand trotzdem nicht heraus, aus welch einer Richtung das Stöhnen auf mich zudrang.
Weder direkt von vorn, noch von hinten oder von den Seiten. Es strömte von überall her auf mich ein, wobei es die Decke nicht ausließ, denn auch
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