0718 - Tango Fatal
von dort senkte es sich langsam nieder.
Es ergriff von mir Besitz.
Es wühlte sich in meinen Kopf hinein, es wütete dort, es kam nicht von dieser Welt, und es war einfach grausam und böse. Aber es zog sich auch zurück. Sehr schnell konnte ich wieder frei denken, denn mein Kreuz war in diesem Fall ein sehr guter Schutz. Es gelang der anderen Kraft nicht, diesen Wall zu überwinden.
Trotzdem blieb es.
Es drang aus den Wänden, der Decke und dem Fußboden. Tief und knurrend hörte es sich an. Es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich Raubtierschnauzen in den Wänden erschienen wären, um mit ihren scharfen Gebissen nach mir zu schnappen.
Es marterte mich, denn es war beileibe kein Geräusch, das mich aufrichtete. Es hallte in meinem Kopf wider, es wurde trotzdem abgewehrt, und irgendwann hatte ich mich sogar daran gewöhnt.
Von nun an dachte ich anders. Ich wollte es bekämpfen und begann mit meiner Runde durch das Zimmer.
Um die Leiche ging ich herum, tastete mich an den Wänden vorbei, hielt dabei mein Kreuz vorgestreckt und glaubte sogar, einen Erfolg erzielt zu haben.
Immer dann, wenn sich das Kreuz der Wand näherte, hatte ich den Eindruck, das Stöhnen würde leiser werden.
Nach der ersten Runde war es noch immer vorhanden. In Türnähe blieb Ich stehen, schaute in das Zimmer und hörte es wieder an der Stelle, wo der Tote lag. Dann schabte ein Gegenstand über den Boden.
War ich mit der Leiche etwa nicht allein im Zimmer?
Ein Schatten wanderte über den Boden. Gleichzeitig reckte sich ein Arm in die Höhe, und etwas Bleiches umklammerte den Rand des Schreibtischs.
Eine Hand.
Das konnte nur die Hand eines Toten sein.
Sekunden später hatte ich Gewißheit. Mitten in das grunzende Stöhnen hinein erhob sich der tote Pierre Piccard als Zombie, als eine lebende Leiche…
***
Eine anderer Person wäre möglicherweise schreiend aus dem Zimmer gelaufen. Zu dieser Kategorie gehörte ich nicht. Ich blieb stehen und wirkte wie eine Säule.
Ich zog auch keine Waffe, weil ich wußte, daß dieser lebende Tote nicht grundlos aufstand. Da steckte etwas Bestimmtes dahinter, und das wollte ich herausfinden.
Pierre hatte sich noch nicht völlig in die Höhe stemmen können. Für einen Moment blieb er in einer gebückten Haltung stehen, stützte sich aber mit seiner flachen Leichenhand auf dem Schreibtisch ab.
Noch ein letzter Ruck, dann stand er. Und er blieb auch so stehen, stierte nach vorn, den Kopf leicht gesenkt, als sollten ihm jeden Augenblick die Augen aus den Höhlen fallen.
Nichts regte sich. Wir standen in einer beklemmenden Stille. Er nahm auch keine Notiz von mir, sondern ging mit einer zuckenden Bewegung einen Schritt vor, dann noch einen, blieb stehen, weil er nun genügend Platz hatte.
Dann fing er an zu tanzen.
Erst glaubte ich an eine Sinnestäuschung, denn einen tanzenden Zombie hatte ich noch nie gesehen.
Aber es war keine Täuschung, auch wenn sein Tanz sehr steif aussah und seine Bewegungen linkisch wirkten, so konnte dies nichts anderes sein als eben ein Tanz.
Der Tanz des Untoten…
Er bewegte sich zunächst auf der Stelle. Mal hob er kurz das rechte Bein, um anschließend das linke Bein anzuheben.
Diesen Rhythmus behielt er zunächst bei, bis er eine neue Variante einsetzte.
Er drehte sich.
Mit den tapsigen Bewegungen eines jungen Bären geschah dies. Man konnte darüber denken, was man wollte, auf mich wirkte dies keinesfalls lustig.
Dieser Tanz kam mir makaber vor. Er war keine Erfindung der Menschen, sondern entstammte dem Grab oder der Hölle, und die wohl nur für den Zombie hörbare Melodie spielte der Teufel.
Ich hielt mich zurück. Eine Silberkugel hätte gereicht, aber ich wollte wissen, was dahintersteckte, und ich dachte auch an das Haus, in dem die Schreie aufgeklungen waren.
Hatte es nicht mal eine Tanzschule beherbergt?
Natürlich war das der Fall gewesen. Und wenn ich ihn mit dem Tanz der lebenden Leiche in Verbindung brachte, konnte es da durchaus einen Zusammenhang geben.
Dabei war es nicht einmal zum Lachen, wie der Zombie tanzte. Er bewegte sogar seinen Kopf im selben Takt, wie er mit den Füßen stampfte.
Er war erfüllt von einer höllischen Musik, bei der der Teufel den Taktstock führte.
Dann blieb er stehen.
Ein Bein vorgestreckt, den rechten Arm ebenfalls. Er bewegte die Finger, als wollte er jemand anfassen, der ganz in seiner Nähe stand. Diese Tanzhaltung hatte zwar etwas Steifes an sich, aber sie erinnerte mich ebenfalls an einen
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