0720 - Teufelsnächte
und Schwester standen auf dem Dach eines Hochhauses und blickten über die Stadt. Ein kalter Wind ließ den, der sich selbst Lugosi nannte, frösteln und er schob die Hände tief in die Taschen seines alten Mantels.
»Woran denkst du?«, fragte er seine Schwester, obwohl er es bereits ahnte.
»An den Parapsychologen.« Sie sah ihn nicht an, blickte einfach nur weiter auf die Stadt hinaus. »Ich war heute morgen noch einmal an seinem Hotel.«
Er hob überrascht die Augenbrauen. »Das war sehr leichtsinnig von dir. Du hättest mich wecken sollen.«
»Ich wollte nichts unternehmen, nur beobachten. Er hat das Hotel sehr früh verlassen. Ich dachte, nach all dem, was gestern Nacht passiert ist, würde er abreisen, aber das hat er nicht getan. Er ist immer noch hier.«
Er zog eine Hand aus der Tasche und legte sie auf ihren Arm. »Das ist egal, mach dir über ihn keine Gedanken. Sobald das Ritual vorüber ist, verlassen wir die Stadt.«
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.
»Warum ist er hier geblieben?«, fragte sie, ohne auf die Antwort ihres Bruders einzugehen. »Begreift er denn nicht, dass ich ihn schon hundertmal hätte töten können?«
»Er weiß nicht, wer wir sind. Und jetzt hör auf, über ihn nachzudenken und konzentriere dich lieber auf das Ritual. Wir müssen noch einige Vorbereitungen treffen.«
Er verstärkte den Druck auf ihren Arm, wollte sie sanft dazu bewegen, mit ihm das Dach zu verlassen, aber sie löste sich mit einem Ruck aus seinem Griff und sah ihn an.
»Ich will mit ihm sprechen«, sagte sie.
»Was? Bist du verrückt?«
Seine Schwester hob trotzig den Kopf. »Ich will, dass er heute Abend neben den anderen kniet, sonst nehme ich nicht an dem Ritual teil.«
Ihre Drohung erschütterte ihn. Der Tag des Rituals war der wichtigste eines Jahres, aber sie war bereit, ihn nur wegen einer albernen Begegnung mit einem Parapsychologen verstreichen zu lassen.
»Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?«, fragte er mit mühsam unterdrückter Wut.
Sie nickte. »Es tut mir Leid, aber ich kann nicht anders. Seit ich weiß, dass dieser Mann in der Stadt ist, sind die Träume zurückgekehrt. Alles ist so lebendig, als wäre es gestern geschehen. Es wird mir helfen, ihn vor mir zu sehen.«
Manchmal, dachte er, vergesse ich, wie stark sie traumatisiert ist.
Er wusste nicht, weshalb sie die Ereignisse wesentlich schlechter verarbeitet hatte als er. Vielleicht, weil sie jünger war, als es begann, vielleicht, weil ihr Geist bereits zerbrochen war, als es endete. Er hatte Jahre gebraucht, um die Scherben in ihrem Kopf zusammenzusetzen, hatte ihr über die Alpträume und Halluzinationen hinweg geholfen und zugesehen, wie sie Schritt für Schritt ein neues Leben begann. Zumindest bis gestern.
Er wandte sich ab und ging langsam zum Rand des Daches. Seine Schwester stand am Rande eines Abgrunds, aber im Gegensatz zu ihr glaubte er, dass die Begegnung mit dem Parapsychologen sie endgültig hineinstürzen würde.
Und dann gab es Tote, genau wie damals…
***
Kathy Harrold betrat die Lobby des Hotels und sah sich suchend um. Sie hatte Zamorra nach der Besprechung auf dem Korridor des Reviers getroffen und ein Treffen zum Mittagessen vereinbart. Ein Blick auf die Uhr über der Rezeption verriet ihr, dass sie fünfzehn Minuten zu spät war - kein Wunder bei dem vorweihnachtlichen Chaos in den Straßen.
Der Portier sah auf, als sie vor ihm stehen blieb.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er mit professioneller Freundlichkeit.
»Ich bin mit dem Gast von Zimmer vier fünf eins verabredet. Rufen Sie bitte mal auf seinem Zimmer an.«
Der Portier nickte, tippte die Zimmernummer mit dem Kugelschreiber ein und wartete einen Moment. Dann schüttelte er den Kopf. »Es meldet sich niemand.«
Kathy runzelte die Stirn. »Hat er vielleicht eine Nachricht hinterlassen? Mein Name ist Kathy Harrold.«
Wieder verneinte der Portier. Sie dankte ihm und blieb etwas ratlos in der Lobby stehen. Zamorra erschien ihr nicht wie jemand, der eine Verabredung vergaß oder sich nicht zumindest meldete, wenn ihm etwas dazwischengekommen war. Sie dachte an die Wanze in seinem Telefon und den Überfall, von dem er nichts erzählen wollte. Es war offensichtlich, dass er etwas verbarg, aber ob das in einem Zusammenhang mit ihren Ermittlungen über Timble stand, wusste sie nicht.
Der Gedanke an Timble brachte sie auf eine Idee. Kathy zog ihr Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer des Polizeireviers.
»WPC
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