0720 - Teufelsnächte
sehe dich nicht betteln. Du weißt es besser, nicht wahr?«
»Das geht dich nichts an. Tu einfach, was Kenneth gesagt hat und verschwinde.«
Ian tastete nach dem Schlagring in seiner Manteltasche. Wenn man als Goth in Manchester lebte, musste man bestimmte Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, sonst erging es einem wie seinem Kumpel Pete, dem Punks schon dreimal die Nase gebrochen hatten.
Misstrauisch beobachtete er, wie das weiß geschminkte Mädchen neben ihren Begleiter trat und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Der Fremde wandte sich wieder an den Anführer der Gruppe. »Kenneth, ist dir eigentlich bewusst, wie viel Macht man über einen Menschen bekommt, wenn man dessen wahren Namen kennt?«
Ian konnte es sich nicht erklären, aber die Art, in der die Worte gesagt wurden, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Kenneth wich in die Sicherheit der Gruppe zurück.
»Ihr wisst nichts über die Kraft des Bösen«, fuhr der Fremde fort, »weder in dieser Welt, noch in der anderen. Ihr seid Stümper und Versager. Warum, glaubt ihr, sollte Satan gerade zu euch kommen?«
»Weil wir ihm unsere Seele geben, wenn er uns hilft.« Kenneths Stimme zitterte, doch er brachte zu lans Überraschung genug Mut auf, um dem Fremden in die Augen zu sehen.
Der lachte. »Aber Kenneth, dazu hat er doch mich.«
Alles ging so schnell, dass Ian erst begriff, was geschah, als Kenneths Körper nach einem meterweiten Flug mit widerwärtig berstendem Geräusch auf einem Grabstein aufschlug und zu Boden fiel.
Impulse rasten durch Ians Körper.
Schreien, fliehen, würgen, aber er tat nichts von alldem, sondern stand unbeweglich wie eine Statue neben seinen ebenfalls reglosen Freunden.
Der Fremde lächelte. »Und nun zu euch…«
***
Manchester Airport Gegenwart
»Professor Zamorra, freut mich wirklich, Sie kennen zu lernen. Ich bin Detective Inspector Peter Timble, Mordkommission Manchester, und das ist WPC Kathy Harrold, Ihre Fahrerin. Willkommen in England.« [1]
»Danke.«
Zamorra schüttelte die ausgestreckte Hand der beiden Polizisten. Der Zivil tragende Timble wirkte wie ein Mittdreißiger, war untersetzt mit schütteren blonden Haaren und einer Nase, die offensichtlich häufiger mit festen Gegenständen in Kontakt gekommen war. Er sprach ein wenig nasal, als sei er erkältet. Kathy Harrold war rund zehn Jahre jünger. Die lockigen roten Haare und das sommersprossige schmale Gesicht ließen sie wie das Klischeebild einer Engländerin aussehen.
»Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug«, sagte Timble, während Zamorra mit einer geschickten Drehung dafür sorgte, dass er seine Tasche selbst tragen konnte. Sie war nicht schwer und die Gegenstände, die sich darin befanden, gingen außer ihm niemanden etwas an.
»Ja«, antwortete er und schloss damit den Floskelaustausch ab. »Sie sagten am Telefon, es habe einen weiteren Mord gegeben.«
Timble nickte. »Deshalb sind wir froh, dass Sie so schnell kommen konnten. In vier Tagen ist Weihnachten. Wenn wir bis dahin keine konkreten Spuren vorweisen können, werden wir von der Presse zerrissen.«
Schweigend gingen sie durch das geschäftige Terminal. Jingle Beils schallte ihnen aus Lautsprechern entgegen, während Studenten in Weihnachtsmannkostümen Werbung für Buchclubs machten. Es war eine Atmosphäre, die so gar nicht zu der Mordserie zu passen schien, von der Manchester seit Beginn des Monats heimgesucht wurde. Zamorra hatte sie bereits verfolgt, bevor die Polizei sich mit ihm in Verbindung setzte. Vier Menschen waren in den letzten Wochen auf bestialische Weise ermordet worden. An den Tatorten gab es Hinweise auf satanistische Motive - Pentagramme, die in die Haut der Toten geritzt waren, mit Blut gemalte umgedrehte Kreuze an den Wänden und ähnliche Symbole. Alles deutete auf die Wahnsinnstaten einer verblendeten Sekte hin.
Vor Zamorra öffneten sich die Glastüren des Terminals. Eiskalter Wind schlug ihm entgegen. Einige Schneeflocken tanzten durch den bleigrauen Himmel und blieben auf den Dächern der geparkten Wagen liegen.
Manchester zeigt sich von seiner besten Seite, dachte er frierend.
In der Karibik und in der Sargasso-See, in deren vergangenes Reich einer fremden Dimension es sie erst vor kurzem verschlagen hatte, wars angenehmer gewesen. Zumindest, was das Wetter anging. Dass er und seine Gefährtin Nicole Duval dabei zwischen die Fronten eines Dämonenkriegs geraten waren, war eine andere Sache. Immerhin hatten sie zumindest dem Seelenfresser das Handwerk legen
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