0720 - Teufelsnächte
Schals entfielen Charlies kraftlos gewordenen Fingern, dann kippte er wie in Zeitlupe nach hinten.
Ian konnte ihn gerade noch auffangen und verhindern, dass er gegen die geöffnete Schranktür schlug. Vorsichtig legte er ihn auf den Boden. Er wusste, dass Charlie nicht länger als zwei oder drei Minuten bewusstlos bleiben würde, aber mehr Zeit benötigte er nicht.
»Tut mir Leid«, sagte Ian. »Ich habe den Weg allein begonnen und genau so muss ich ihn auch beenden.«
Er warf Charlie einen letzten Blick zu, dann verließ er das Haus.
***
Kathy gab die Meldung, dass Timble der Hauptverdächtige der Mordserie war, nicht weiter. Nicole drängte sie auch nicht dazu, denn außer ihrer Behauptung gab es dafür keine Beweise. So erfuhr der diensthabende Sergeant nur, dass Timble eine Kollegin tätlich angegriffen hatte und in seinem Dienstwagen geflohen war. Sie hoffte, dass das für eine groß angelegte Suche reichte.
Zu Fuß durchquerten Nicole und Kathy das kleine Waldstück, das sie von Ians Haus trennte. Nur ein Wagen kam ihnen entgegen, aber die Befürchtung, dass Timble zurückgekehrt war, bestätigte sich nicht.
Nicole tauchte die Hände tief in die Taschen ihrer Jeans. Der zerrissene Mantel flatterte um ihre Schultern und bot kaum Schutz vor der feuchten Kälte. Zumindest war es ihr gelungen, den eingeklemmten Blaster und den Dhyarra-Kristall aus dem Wagen zu befreien. Die Waffen schienen unbeschädigt zu sein.
Natürlich hatte Kathy danach gefragt, aber Nicole war ihr ausgewichen und hatte nur etwas von Elektroschocks erwähnt. Jetzt gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Da ist es«, sagte Kathy, als sie das Waldstück hinter sich ließen.
In der Dunkelheit war von dem Landhaus nicht mehr als die helle Einfahrt und eine mehrstöckige Front zu sehen. Das Tor stand offen.
Sie gingen über die hellen Kieselsteine, umrundeten einen Brunnen und blieben vor einer breiten Eichentür stehen. Nicole klingelte und legte ihre Hand auf Kathys Arm, als sie sah, wie sie nach ihrem Ausweis griff.
»Pritchard hat Zamorra angerufen. Wir sollten ihn nicht mit der Polizei verschrecken.«
Einen Moment blieb es ruhig, dann öffnete sich die Tür. Im Lichtschein, der auf die Einfahrt fiel, sah Nicole einen jungen Mann mit schwarz gefärbten Haaren, der einen Mantel auf dem Arm trug. Sein Kinn war geschwollen.
»Wir möchten zu Mister Pritchard«, sagte Kathy. »Es ist dringend.«
»Er ist nicht da… Und ich habe im Moment auch keine Zeit. Rufen Sie doch einfach morgen an, okay?«
Er wirkte fahrig und unkonzentriert, als hätte er gerade eine schlechte Nachricht erhalten.
»Mister Pritchard«, mischte sich Nicole ein, »hat heute morgen um ein Gespräch mit einem Mann namens Zamorra gebeten. Wissen Sie etwas darüber?«
»Hat Zamorra Sie geschickt?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Nein, er ist verschwunden und ich glaube, dass Sie zumindest eine Ahnung haben, warum.«
Sie sah ihm an, dass er das abstreiten wollte, spürte seine Sorge um Pritchard und setzte nach. »Wir können Ian helfen, aber dazu brauchen wir zuerst Ihre Hilfe.«
Er biss sich auf die Lippe, dann gab er den Weg frei. »Okay.«
Zehn Minuten später wusste Nicole nicht nur, dass er Charlie hieß, sondern hatte auch alles über den Sendboten des Teufels und das bevorstehende Ritual erfahren.
Kathy schüttelte den Kopf, als er geendet hatte. »Timble soll ein Satanist sein? Ich hätte ihm fast alles zugetraut, aber das überrascht mich doch. Und was sind das für Kräfte, die dieser Lugosi besitzen soll? Glaubt Pritchard wirklich, dass er vom Teufel geschickt wurde?«
Charlie hob die Schultern, und auch Nicole schwieg. Sie wusste, dass es tatsächlich Dämonen gab, die Pakte mit Menschen eingingen, auch wenn es sich in diesem Fall um etwas anderes handelte. Nur hatte sie keine Zeit, mit Charlie und Kathy eine Grundsatzdiskussion zu führen, denn über Zamorras Aufenthaltsort wusste sie immer noch nichts. Nur ein Instinkt sagte ihr, dass er in der Nähe des Rituals sein würde.
»Hat Pritchard den Namen des Friedhofs erwähnt, zu dem er wollte?«
Charlie schüttelte den Kopf. »Nein, aber es ist der Gleiche, auf dem sie sich jedes Jahr treffen.«
Nicole sah Kathy an. »Wenn dort vor genau zwanzig Jahren jemand bei einem Unfall schwer verletzt wurde, hat die Polizei heute noch Unterlagen darüber?«
»Möglicherweise im Archiv.« Sie griff nach ihrem Handy. Während sie telefonierte, dachte Nicole über den Zusammenhang zwischen den Morden
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