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0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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stürzte.
    Er hatte sein Ziel erreicht.
    ***
    Los Angeles
    Captain Butch »die Qualle« Sanders war aus mehreren Gründen nicht sonderlich beliebt bei seinen Untergebenen. Zum einen trug er ein derart penetrantes Rasierwasser, dass es Detective Jack O'Neill, der im Büro seines Chefs um Atem rang, die Tränen in die Augen trieb. Zum anderen hatte er die Angewohnheit, sich während Unterhaltungen ständig in den Schritt zu greifen, als wäre er eine übergewichtige, weiße Version von Michael Jackson. Der wichtigste Grund für die Abneigung, die ihm im Großraumbüro der LAPD entgegenschlug, war jedoch…
    …dass er ein Arschloch ist, dachte O'Neill.
    »Hören Sie mir überhaupt zu, Detective?«, unterbrach Sanders seine Gedanken.
    »Ja, Sir.« Der scharfe Geruch des Rasierwassers lag wie ein Pelz auf seiner Zunge. Er räusperte sich. »Sie sprachen gerade über die Vermisstenstatistik der letzten Monate.«
    »Die niemand außer mir zu lesen scheint.«
    O'Neill ignorierte die Spitze und beobachtete, wie Sanders seine Hand aus dem Schritt nahm und einen Aktenordner aufschlug. Dunkel erinnerte er sich daran, einen ähnlichen Ordner vor Wochen in seiner Ablage bemerkt zu haben. Mittlerweile war er wohl längst im Papierkorb gelandet.
    »Eine Steigerung von vierzehn Prozent rund um Venice Beach«, fuhr Sanders fort. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
    »Dass mehr Leute verschwinden, Sir?«
    Der Aktendeckel wurde mit einem Knall geschlossen. »Nein, Detective, es bedeutet, dass jemand hier seine Arbeit nicht vernünftig erledigt. Die Zahl der Vermissten steigt, die Aufklärungsrate sinkt. Und damit sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch in diesem Jahr auf einen Posten befördert werde, wo ich mit Klugscheißern wie Ihnen nichts mehr zu tun habe. Verstehen Sie jetzt, was das bedeutet?«
    »Ja. Je schneller Sie weg sind, desto besser - für Sie selbstverständlich, Sir…«
    Sanders verzichtete auf eine Antwort und warf ihm nur die Akte entgegen. »Kümmern Sie sich darum. Bis Ende der Woche will ich Ergebnisse sehen.«
    »Ja, Sir.«
    O'Neill stand auf und klemmte sich den Ordner unter den Arm. Er wollte gerade nach dem Türknauf greifen, als Sanders' Stimme ihn zurückhielt.
    »Noch eine Sache, Detective…«
    Er drehte sich um. »Sir?«
    »Es wäre schön, wenn Sie ausnahmsweise menschliche Täter in Ihren Berichten erwähnen könnten. Ich weiß, dass es Sie nicht stört, vor Ihren Vorgesetzten wie ein Idiot dazustehen, aber ich lege Wert darauf, von meinen ernst genommen zu werden. Okay?«
    Touché, dachte O'Neill und schloss ohne ein weiteres Wort die Tür hinter sich. Der Lärm des Großraumbüros schlug ihm wie eine Welle entgegen. Telefone, Faxgeräte und Handys klingelten ununterbrochen. Beamte in Uniform und Zivil saßen an Schreibtischen oder standen Kaffee trinkend in kleinen Gruppen zusammen. Ein paar nickten O'Neill zu, als er sich vorbeidrängte und an seinen Tisch zurückkehrte.
    Er warf den Aktenordner auf einen der Stapel im Eingangskorb und setzte sich. Bis Ende der Woche wollte Sanders die ersten Resultate, wohl wissend, dass das völlig unmöglich war. Bei Tag zog Venice Beach mit seinen Souvenirgeschäften, Straßenkünstlern und Cafés zwar Teenager und Touristen gleichermaßen an, aber nach Einbruch der Dunkelheit änderte sich das Bild schlagartig. Drogendealer, Junkies, Obdachlose und Prostituierte hockten jetzt in den Schatten der Vergnügungsmeile und boten sich oder ihre Waren an, während andere die Mülleimer durchstöberten und unter den Piers nach einem Nachtlager suchten. Als normaler Mensch war es schon schwer genug, zu dieser Szene Kontakt aufzunehmen, als Polizist hatte man keine Chance.
    »Scheiße«, sagte O'Neill.
    Am Nebentisch hob sein Kollege, Detective Sergeant Obadiah P. Rutherford Jr. den Kopf. »Macht die Qualle wieder Stress?«
    Sein Südstaatenakzent klang schwerfällig und langsam. Obadiah stammte aus Mississippi, wo seine Familie seit Generationen eine kleine Farm betrieb und war laut eigener Aussage der erste Rutherford, der jemals die Staatsgrenze überschritten hatte. Acht Jahre lang hatte er bei den Marines gedient, bevor er den Dienst quittierte und zur Polizei nach L.A. ging. Seit mittlerweile vier Jahren waren er und O'Neill Kollegen.
    »Frag nicht, Obadiah. Hast du die Vermisstenstatistik gelesen?«
    »Nein. Du?«
    »Natürlich nicht, aber die Qualle hats getan und regt sich jetzt über unsere Aufklärungsquote an Venice Beach auf.«
    O'Neill griff nach dem

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