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0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Stimme.
    Tsa Mo Ra, dachte Youwei entsetzt. Wieso schläft kein Diener vor deiner Tür, wie bei allen normalen Menschen?!
    Er wollte seinen Gastgeber nicht töten, aber als er hörte, wie der sich aufrichtete, zerbrach etwas in ihm.
    Youwei hob den Dolch.
    ***
    »An dieser Stelle bricht das Manuskript ab«, sagte Fu Long.
    »Ist das ein Scherz?« Zamorra sah auf. »Youwei hat wohl kaum geschrieben, während er durch mein… durch Tsa Mo Ras Haus kroch, dann den Federkiel beiseite gelegt und nach dem Dolch gegriffen.«
    »Das stimmt, aber an dieser Stelle ist die Seite zu Ende und die nächsten fehlen leider. Die einzige Schriftrolle, die nach diesem Tag datiert ist, wurde einige Wochen später geschrieben. Da die Handschrift eine andere ist, nehme ich an, dass Youwei den Text diktiert hat.«
    Zamorra stand auf und sah aus dem Fenster. »Kommt Tsa Mo Ra darin vor?«
    »Nein.«
    Obwohl er es Fu Long gegenüber nicht zugab, war er längst zu der Überzeugung gelangt, dass er tatsächlich Tsa Mo Ra war. Alle anderen Theorien ergaben keinen Sinn.
    Wird es dann mein Schicksal sein, fragte er sich, zweitausend Jahre in der Vergangenheit von einem blinden Beamten ermordet zu werden?
    »Moment«, sagte Zamorra plötzlich und drehte sich zu Fu Long um. »Youwei beschreibt doch, wie er von Tsa Mo Ra verhört wurde, während Wu Huan-Tiao daneben saß und ihn anstarrte. Wu hat wahrscheinlich Youweis Gedanken gelesen. Das erklärt auch Tsa Mo Ras Ausrutscher. Er hatte aus Youweis Gedanken erfahren, dass der Regent ihn in den Tod schicken wollte.«
    Fu Long nickte. »Ich verstehe, worauf du hinaus willst. Wenn Tsa Mo Ra Youweis Gedanken lesen konnte, warum wusste er nichts von seinen Fluchtplänen?«
    »Genau, und warum hat Tsa Mo Ra ihm den Dolch nicht abgenommen?« Zamorra strich sich nachdenklich über den Kinnbart. »Wir müssen daran denken, dass Youwei nur aus seiner Sicht geschrieben hat. Er hat manches vielleicht nicht verstanden oder falsch interpretiert.«
    Sein Blick fiel auf die Schriftrollen. Es gab noch etwas, was ihn beschäftigte. Youwei hatte ohne jede Verwunderung auf den Begriff Hofzauberer reagiert, als sei der Einsatz von Magie etwas völlig Natürliches. Gleichzeitig schien er jedoch ein sehr aufgeklärter und gebildeter Mann zu sein, der Aberglauben ablehnte. Das passte nicht richtig zusammen.
    »Könnte es sein«, sagte Zamorra, nachdem er seinen Gedankengang erklärt hatte, »dass Youwei nicht in unserem China, sondern in einer Parallelwelt lebte, in der Magie normal war?«
    Fu Long neigte den Kopf. »Das wäre möglich, aber ich glaube eher, dass Youwei den Begriff falsch verstanden hat und nicht an wahre Magie, sondern an Tricks dachte.«
    Zamorra hielt die Antwort für wenig befriedigend. »Dann hätte er sich doch bestimmt gefragt, wie zwei Scharlatane so hoch aufsteigen konnten?«
    »Vielleicht hat er das, ohne es niederzuschreiben. Vergiss nicht, dass sehr viel auf ihn eingestürmt ist.«
    »Das stimmt allerdings.« Zamorra setzte sich und unterdrückte ein Gähnen. Er hatte seit fast dreißig Stunden nicht geschlafen und merkte langsam, wie seine Konzentration nachließ.
    Gleich beginnt die Stunde des Hasen, [8] dachte er, ohne sich über dieses Wissen zu wundern. In den letzten Stunden hatten die Stimmen am Rande seines Bewusstseins geschwiegen, aber jetzt spürte er, wie sie erneut in den Mittelpunkt drängten.
    Nicht jetzt!, befahl er sich selbst.
    Zamorra bemerkte Fu Longs abwartenden Blick und lächelte. »Möchtest du nicht auch die letzte Rolle vorlesen?«
    »Natürlich. Ich habe mich nur gefragt, ob du mir vielleicht zuerst etwas erzählen willst.«
    »Nein.«
    Fu Long wirkte enttäuscht, fast schon frustriert, als er nach der letzten Metallröhre griff und eine Schriftrolle herauszog.
    »Gei wo da dianbao«, begann er.
    ***
    »Obadiah«, flüsterte O'Neill. »Bleib ganz ruhig, okay? Wir kriegen das schon hin.«
    Besorgt betrachtete er das schweißnasse, weiße Gesicht seines Kollegen, die zitternden Lippen und den unsteten Blick. Er schien unter Schock zu stehen.
    O'Neill spähte an dem Felsen vorbei und schluckte, als er erkannte, dass sich fast hundert Tulis-Yon auf sie zu bewegten.
    »Wir müssen hier weg«, flüsterte er. »Verstehst du mich? Wir fahren zum Revier und warten, bis Nicole Duval morgen Abend kommt. Keinem von uns passiert was, okay?«
    Obadiah presste die Hände gegen die Schläfen. »Nicht okay, Jack. Gar nichts ist okay.« Seine Stimme überschlug sich, war viel zu laut.

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