0724 - Vampirträume
brannte in ihm und drängte nach draußen.
»Du weißt, wer ich bin und weshalb ich hier bin?«, fragte er.
»Ich kenne deinen Namen nicht.« Kuang-shis Stimme war nicht mehr als ein Hauch, so als spräche er aus einer anderen Realität. »Nur dein Schicksal ist mir bewusst.«
Baal ging auf das Spiel ein. »Und was ist mein Schicksal?«
»Weißt du es nicht? Du hast es doch selbst erwählt.« Kuang-shi bewegte nur die Lippen, wenn er sprach. Der Rest seines Körpers war starr wie der einer Statue.
»Mein Schicksal«, sagte Baal, »ist es, dich im Kampf zu treffen und zu vernichten.«
Er streckte die Arme aus. Seine Eismagie fror die Luft ein, formte Speere daraus, die auf Kuang-shi zuschossen und ihn durchbohrten. Innerhalb von Sekunden war sein Körper geàpickt mit Speeren und Baal wusste, dass sie ihre tödliche Kälte dort verbreiteten.
Kuang-shi bewegte sich nicht. Kein Schrei, kein Eingeständnis des verzehrenden Schmerzes, kein Wimmern und keine Gegenwehr.
Baal schnaubte. »Willst du mir nicht die Genugtuung eines Kampfes geben? Soll ich dich einfach so abschlachten?«
Er murmelte einen Spruch, erschuf Geistwesen aus dem Nichts und warf sie Kuang-shi entgegen. Ihre rasiermesserscharfen Zähne gruben sich in das Fleisch seiner Hände und zerrten an seiner Kehle. Ein paar von ihnen begannen, sich in seinen Brustkorb zu fressen.
»Kämpf doch endlich!«, schrie Baal und taumelte, als eine Welle der Übelkeit durch seinen Körper raste. Er stützte sich an der Wand ab, sackte aber trotzdem zu Boden.
»Narr«, sagte eine Stimme. Sie war weich und angenehm, aber die Aura, die von ihr ausging, wehte wie ein Sturm über Baal hinweg.
Das ist ein Trick, erkannte er. Das Wesen, das die Rede gehalten hat, gegen das ich gekämpft habe, ist nur ein Abbild.
Mühsam drehte er den Kopf.
Kuang-shi schwebte auf der anderen Seite der Höhle. Die Spitzen seiner Fingernägel kratzten über den Felsen. Die Macht, die von ihm ausging, presste Baal gegen den Stein.
»Worauf wartest du noch?«, sagte der Dämon zwischen keuchenden Atemstößen. »Willst du mich nicht vernichten?«
Kuang-shi schwebte heran und blieb neben Baal stehen. »Dich zu töten, bereitet mir kein Vergnügen.«
Das letzte, was Baal in seiner Existenz sah, war das Blinzeln Kuang-shis. Das letzte, was er spürte, war der Schlag, der sein Denken hinwegfegte.
***
Lord Jeffrey hatte längst den Überblick verloren. Seine Welt bestand aus spritzendem schwarzen Blut, abgerissenen Gliedmaßen, dem Rauschen der Flammenwerfer und dem Geruch nach verbranntem Fleisch. Er wusste nicht, wie es um die Schlacht stand, spürte nur immer wieder den Tod eines Soldaten oder sah die brennende Leiche eines Tulis-Yon im Sand.
Die Gesichter um ihn herum waren rußverschmiert, in den Augen flackerte es. Die schwere heiße Luft mit ihrem Geruch nach Blut weckte die Gier und beeinträchtigte den Verstand. Das Wissen, dass sich Menschen in der unmittelbaren Nähe aufhielten, hatte einige Vampire zu leichtsinnigen Angriffen provoziert. Sie waren alle in Feuerstößen zu Staub zerfallen.
Als Jeffrey spürte, wie Baal verging, hob sich ein Druck von seinen Schultern. Er brach aus dem Kreis seiner Leibwache aus und schoss hoch in den Himmel hinaus.
Frei, dachte er. Endlich bin ich frei!
Seine Gedanken wurden zu Plänen. Die Schlacht gegen die Tulis-Yon war sinnlos; sie forderte zu viele Opfer. Wenn er Kuang-shi das Feld überließ und sich mit seinen Armeen in den Norden zurückzog, konnten sie sich dort in aller Ruhe auf eine Belagerung vorbereiten und Verbündete in den umliegenden Staaten gewinnen. Vielleicht ließ sich sogar Fu Long, der mehr als jeder andere über Kuang-shi wusste, für einen Pakt gewinnen. Schließlich war sein Erzfeind Don Diego jetzt tot.
Jeffrey konzentrierte sich und rief seine Soldaten.
Brecht den Kampf ab, meine Kinder, befahl er, wir kehren nach Hause zurück.
Ja, Vater.
Ihre Erleichterung war spürbar und Jeffrey fragte sich nicht zum ersten Mal, wie viele von ihnen die Schlacht überlebt hatten. Waren es zwei Drittel oder nur die Hälfte?
Vorsicht!
Die Stimme schoss durch seinen Geist. Jeffrey ließ sich instinktiv zur Seite fallen - direkt in den Feuerstoß hinein. Er schrie, als der alles verzehrende Schmerz nach seinem Körper griff und seine Finger zu Staub wurden.
Dann fiel er auch schon dem Boden entgegen und verging…
***
Treffer !, dachte O'Neill zufrieden, als der Vampir aus der Dunkelheit stürzte und zu Staub zerfiel.
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