0726 - Halias Höllenreiter
ja an die Wiedergeburt. Möglicherweise hast du in einem früheren Leben schon einmal Indien bereist. Oder bist selbst Inderin gewesen!«
Jane Westley lachte.
»Du weißt, was ich von übersinnlichen Phänomenen halte. Nämlich gar nichts. Ich verlasse mich lieber auf das, was ich ertasten und riechen kann. -Müssen wir nicht bald zu deiner Verabredung? Nachher fliegen die Teppiche noch weg!«
Jane fuhr mit den Fingerkuppen über die Zeiger ihrer Blindenuhr.
Rampart lachte. Er war froh, dass seine Freundin durch ihre Erblindung nicht ihren Humor verloren hatte.
»Nein, die Teppiche werden wohl heute am Boden bleiben. Dieser Mister Masref hat ein paar besondere Einzelstücke exklusiv für mich aufgetrieben. Jedenfalls sagt er das. - Ganz billig wird der Spaß wohl nicht werden.«
»Du als Millionär musst ja nicht auf jeden Euro schauen«, sagte Jane. Sie zog ihren Freund gelegentlich gerne mit seinem Reichtum auf. Allerdings musste sie zugeben, dass Rampart nicht zu den Angebern und Windmachern gehörte.
Wahrscheinlich, weil er viel zu reich war, um protzen zu müssen…
»Echte antike Teppiche sind eine bessere Geldanlage als Aktien«, behauptete Rampart. »Und schöner sind sie allemal.«
Jane lächelte unverbindlich. Sie konnte sich überhaupt nicht für Teppiche begeistern. Aber sie hatte nichts gegen das Hobby ihres Freundes. Die junge Frau wusste aus bitterer Erfahrung, dass Männer von viel übleren Leidenschaften gebeutelt werden konnten.
Jane dachte an ihren Ex-Freund, den Auto-Raser Georgy. Er hatte sich irgendwann mit seinem Vauxhall um einen Alleebaum gewickelt…
Jane lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, trotz der Hitze.
»Ist dir kalt?«, fragte Rampart besorgt. Oft behandelte er Jane so vorsichtig wie ein rohes Ei, was sie manchmal nervte.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich bin okay. Lass uns jetzt zu deinem Mister Masref fahren. Sonst glaubt er noch, die Europäer wären unzuverlässig.«
Der Franzose bezahlte den Tee. Dann führte er seine Freundin hinaus auf die belebte Straße.
Wie auf Bestellung näherte sich ein Taxi. Rampart winkte es heran. Er half Jane in den Fond des Hindustan Ambassador. Nachdem er selbst ebenfalls in das altertümlich wirkende Auto gestiegen war, gab er dem Taxi-Wallah [2] Mr. Masrefs Adresse.
Hupend und fluchend stieß der Inder am Steuer sein Taxi in den hektischen Straßenverkehr.
Die Fahrt führte sie quer durch Altdelhi. Vorbei am Gandhi National Museum, an der Fatehpuri-Moschee und am Hindu Rao Hospital.
Der Laden des Teppichhändlers befand sich am Rand des Bengali Marktes.
Gol Masref war ein eleganter Mann mit silbergrauem Haar. Er trug einen Maßanzug nach westlichem Schnitt. Der Inhaber des gut sortierten Teppichhandels begrüßte seinen reichen Kunden höchstpersönlich, denn der Name Antoine Rampart hatte in der Teppichbranche zwischen Damaskus und Peking einen guten Klang…
»Mister Rampart! Welch eine Freude, Sie endlich einmal persönlich kennen zu lernen!«
Der Millionär stellte dem Teppichhändler seine Freundin vor.
Mit dem erstklassigen Instinkt des geborenen Verkäufers spürte Masref sofort, dass sich diese blinde Memsahib einen Dreck um seine Teppiche scherte.
Er würde sie beschäftigen müssen, während er mit Rampart das Verkaufsgespräch führte. Sonst fing sie bloß an zu drängeln, und ihm ging vielleicht ein gutes Geschäft durch die Lappen…
»Wir führen übrigens nicht nur Teppiche, Miss Westley«, sagte Masref zu der Blinden. »Wir verkaufen auch andere Kunstschätze, die Sie sich gerne anse…« - er verbesserte sich noch rechtzeitig - »die sie befühlen können, wenn Sie möchten.«
»Das würde ich sehr gerne, Mr. Masref«, sagte Jane höflich. Sie hatte wirklich überhaupt keine Lust, stundenlang den Gesprächen über die traditionellen Knüpftechniken Kaschmirs oder Neuigkeiten vom Teppichbasar in Samarkand anzuhören.
Der Teppichhändler seufzte erleichtert. Er rief eine junge Frau im Sari, die Jane ebenfalls begrüßte und dann in einen Nebenraum führte.
Masref wandte sich nun wieder seinem französischen Kunden zu.
»Ich habe ein paar Einzelstücke aus Afghanistan bekommen. Auf reichlich abenteuerlichen Wegen, wie Sie sich angesichts der Kriegslage denken können…«
Jane Westley ging zusammen mit der jungen Inderin nach nebenan.
Kaum war sie unter dem Türbogen hindurchgetreten, als sie von einem Schauer des Grauens erfasst wurde!
Jane spürte, wie sich auf ihren nackten Armen eine
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