0726 - Halias Höllenreiter
nicht zugehört zu haben. »Ich möchte jedenfalls diese Statue kaufen.«
»Wie Sie wünschen, Memsahib.«
Und in Gedanken fügte die Inderin hinzu: Ich würde dir sogar noch hundert Rupien draufzahlen, wenn du dieses Ding mitnimmst!
***
Palais Royal, Paris, Frankreich
Halia erwachte.
Die Dämonin hatte fast schon aufgegeben. Hunderte und Aberhunderte von Menschenjahren hatte sie im Inneren der Statue vor sich hin vegetiert.
Während ihrer Gefangenschaft war sie von einer Menschenhand in die andere gewandert. Heilige und Huren, Händler und Soldaten hatten sie gekauft, gestohlen, geraubt - oder fortgeworfen.
Einmal wäre die Statue beinahe eingeschmolzen worden, um Gewehrkugeln für einen Aufstand herzustellen. Doch dann waren die Rebellen besiegt worden, bevor es dazu kam.
Und nie, niemals, hatte die Dämonin eingreifen können. Sie war dazu verdammt gewesen, Kalis Strafe zu ertragen.
Bis schließlich, nach unendlich langer Zeit, diese blinde weiße Frau erschienen war.
Halia hatte sofort gespürt, dass dieses Menschenweib sie in die Stadt des Eisenturms bringen konnte.
Warum das so war, wusste die Dämonin nicht. Es spielte für sie auch keine Rolle.
Jedenfalls hatte Halia die Gefühle der Frau beeinflussen können. Ein erster Vorbote ihrer zurückkehrenden Kräfte war diese Manipulation gewesen.
Die Welt hatte sich gewaltig verändert, seit Halia von Kali in die Statue gebannt worden war.
Die Blinde und ihr Mann hatten das Kunstwerk mit sich in einen dieser Eisenvögel genommen, mit denen die Menschen seit kurzer Zeit durch die Lüfte flogen.
Zeit war für die Dämonin ohnehin nur eine Illusion. Trotzdem - oder gerade deswegen - war sie von grimmiger Freude darüber erfüllt, dass sich ihre Gefangenschaft nun dem Ende zuneigte.
Was zunächst nur eine vage Hoffnung gewesen war, erwies sich als unumstößliche Gewissheit.
Der Eisenvogel brachte Halia in die Stadt des Eisenturms!
Die Dämonin hatte keine menschlichen Augen. Ihre Sinneswahrnehmungen waren mit den Maßstäben der Sterblichen nicht zu messen.
Aber sie bemerkte ganz deutlich den mächtigen, schlanken Eisenturm, der hoch über dem Häusermeer der riesigen Stadt aufragte.
Und noch während der Eisenvogel sich wieder dem Erdboden näherte, spürte Halia ihre Kräfte von Neuem erwachen.
Kali hatte ihr Versprechen nicht gebrochen.
Die Todesgöttin hatte vermutlich nicht angenommen, dass es Halia wirklich jemals in die Stadt des Eisenturms verschlagen würde.
Oder - die Dämonin war nur eine Figur auf dem Spielbrett von Kali. Da konnte man bei der Todesgöttin nie sicher sein. Sie verfolgte ihre eigenen Pläne und Ränkespiele, deren Sinn sich oft erst nach langen Planetenäonen enthüllte.
Oder niemals.
Halia dachte voller Hass an Kali. Gerne hätte die Dämonin sich an ihrer Peinigerin gerächt. Gleichzeitig wusste sie, wie sinnlos und gefährlich ein solches Vorhaben war.
Kali war einfach zu mächtig. Nicht umsonst tanzte sie auf dem Leichnam ihres Gatten Shiva. Und wenn Kali schon einen solch mächtigen Gott besiegen konnte - was sollte dann eine einfache Dämonin wie Halia gegen sie ausrichten können?
Nein, Kali war unangreifbar.
Halia würde ihren Zorn und ihre Wut lieber an den Menschen auslassen…
***
Gol Masrefs Laden, Mathura Road, New Delhi, Indien
Mit heulenden Sirenen fuhr der Polizeijeep vor dem Teppichgeschäft auf den Gehweg. Die Bremsen kreischten. Der Wagen kam zu Stehen.
Die Bettler, Straßenhändler und Passanten stoben schreiend auseinander.
Drei Polizisten sprangen aus dem Jeep. Zwei Männer und eine Frau.
Die beiden männlichen Ordnungshüter rannten voraus, in den Laden hinein.
Die Lady folgte mit gemessenen Schritten. Man konnte an ihrer ganzen Körpersprache erkennen, dass sie die Befehlsgewalt hatte.
Wie ihre Kollegen trug sie die olivgrüne indische Polizeiuniform, mit Lederkoppel, Dienstpistole und Schirmmütze.
Doch untet dem linken Arm hatte sie außerdem einen seltsamen Gegenstand.
Es war eine keulenförmige Gebetsmühle!
Die Lady in Uniform betrat nun ebenfalls das Teppich- und Antiquitätengeschäft.
Kunden und Angestellte waren bereits in heller Aufregung.
Das war auch kein Wunder.
Denn die beiden Polizisten hatten bereits überall ein stinkendes Pulver verstreut, das nun auch noch farbige Dämpfe hervorbrachte.
»Demon Police!«, blaffte die Polizistin mit heller Stimme. »Niemand rührt sich von der Stelle!«
Aufgebracht eilte Mr. Masref auf sie zu.
»Haben Sie hier das
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