0729 - Laurins finsteres Reich
Für mich sah es so aus, als wollten sie abheben. Dabei führten sie noch einen grotesken Tanz auf, dann brachen sie zusammen. Der eine dicht neben dem Kühlschrank, den anderen hatte die Einschlagwucht bis zum offenen Fenster geschleudert.
Ich lud die Beretta nach. Dabei schaute ich mich fieberhaft um und ließ auch das Fenster nicht aus den Augen. Schnee rieselte als Vorhang. Die Flocken waren dichter und weicher geworden, der Wind hatte etwas nachgelassen.
Nun registrierte ich, daß sich kein anderer Zwerg mehr in der Küche aufhielt. Die beiden, die mein geweihtes Silber erwischt hatte, waren die letzten gewesen.
Wo steckten die anderen?
Warum hatten sie sich zurückgezogen? Ich ging einen Schritt vor. Es konnte durchaus sein, daß sie sich in einer Ecke verborgen hielten. Klein genug waren sie ja.
Wo ich auch hinschaute, es war keine Spur von ihnen zu sehen. Blieb nur die Möglichkeit, daß sie sich zurückgezogen hatten, weil sie nicht in Gefahr geraten wollten, der Reihe nach vernichtet zu werden.
Das war für mich im Augenblick gut, aber nicht für die anderen Menschen in Glatsch. Wie ich diese Bestien einschätzte, würden sie, zusammen mit ihrer Königin, neue Opfer holen und sie durch die Pfeilwürfe zu kleinen Bestien machen.
Karl Lechner keuchte auch weiterhin. Vielleicht wußte er Bescheid. Ich drehte mich um, ging einen Schritt, dann blieb ich neben ihm stehen und schaute auf ihn herab.
Er glotzte hoch!
»Wo sind sie?« fragte ich.
»Bei ihr, bei ihr!« keuchte er und zerrte weiter. Und er schaffte es. Sein Bein kam frei.
Ich richtete die Mündung gegen seinen Schädel. Sein weißes Haar stand ab, sein Gesicht erinnerte mich an eine verformte Kartoffel. Er hatte auch vom Gesichtsausdruck etwas Zwergenhaftes an sich, schlich zurück und blieb an der Wand stehen.
»Und wo steckt sie?«
»Such sie doch!« giftete er. »Such sie doch! Sie ist unsere Königin. Sie ist dir überlegen.«
»Wo?« fragte ich nur.
»Draußen…?«
»Da schneit es.«
»Es macht ihr und den anderen nichts aus, verdammt! Los, geh doch hin, zum Henker!«
Er wollte mich reizen, das stand fest, aber es war mir in diesem Fall egal. Ich würde meinen Weg gehen und mich auch von ihm nicht aufhalten lassen.
Langsam drehte ich mich um.
Es geschah nicht ohne Grund, denn ich hatte auf dem Flur Schritte gehört. Sie waren jetzt an der Tür, gegen die ich zielte, obwohl ich nicht davon überzeugt war, daß Diablita die Küche betreten würde.
Sie wäre anders gegangen, selbstsicherer…
Die Tür schwang auf.
Eine Frau war zu sehen.
Zitternd, überaus ängstlich. Sie ging geduckt, und sie war weiß wie eine Leinwand.
»Mein Gott, Frau Lechner!«
Sie betrat den Raum mit weichen Knien und Zitterschritten. Es glich schon einem Wunder, daß sie sich noch auf den Füßen halten konnte. Deshalb lief ich zu ihr und stützte sie ab.
Margot klammerte sich an mir fest. Für einen Moment wirkte sie trotz des Bebens wie erstarrt. Dann bewegte sie ihren Mund. Stoßweise nur brachte sie die Worte hervor. »Sie war bei mir… bei mir…«
»Trudi?« fragte ich.
»Nein, nicht mehr Trudi. Sie ist nicht meine Tochter. Sie ist jetzt Diablita…«
»Und weiter?«
»Ich sollte mit ihr gehen. Ich sollte auch zu einem dieser Zwerge werden. Ich!«
»Was geschah dann?«
Sie mußte sich erst fangen. Stockend berichtete sie über das weitere Geschehen.
Ich mußte schon sehr genau hinhören, um alles zu begreifen und in die richtige Reihe zu bringen.
Diablita!
Immer mehr rückte sie in den Vordergrund. Mir war klar, daß ich nur durch ihre abermalige Vernichtung diesen bösen Fluch zerstören konnte. Laurin hatte gewußt, was er tat, als er die gewisse Gruppe von Zwergen verstieß und verfluchte. Auf keinen Fall durften diese Wesen eine neue Führerin bekommen.
Ich lächelte ihr zu, wollte sie beruhigen, aber ihr Gesicht nahm plötzlich eine derartige Starre an, daß ich mich erschreckte. Ich wußte nicht, was sie hatte, wollte ihr eine Frage stellen, aber Margot kam mir zuvor.
»Hinter… hinter…«
Diese beiden Worte reichten aus. Ich stieß sie von mir weg, ließ mich gleichzeitig fallen und drehte mich herum, als ich auf den Fußboden prallte.
Da stand Karl Lechner.
Ja, er war freigekommen, das traf alles zu. Aber er hielt das Messer in der Hand, mit dem mir seine Frau die Stricke durchgesäbelt hatte. Daran hatte ich nicht mehr gedacht.
Er brüllte auf, rannte und hüpfte auf mich zu, um mir die in seiner Hand noch größer
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