073 - Dämonenrache
noch.
Einen weiteren Zwischenfall gab es, noch kurz vor dem Ausgang zum Seitenhof. Pfarrer Lelouche hatte dort seinen Altar aufgebaut. Ein Kelch mit der geweihten Hostie stand bereit.
»Knien Sie nieder!«, beschwor der junge Pater den Delinquenten. »Machen Sie Frieden mit Gott!«
»Lassen Sie mich besser mit Ihrem Gott zufrieden«, sagte Dumarche. »Zeigen Sie Ihr Holzkreuz den übrigen Anwesenden hier! Sie sind genauso Mörder wie ich! Nur bekommen Sie etwas bezahlt dafür, während ich meine Morde zum Vergnügen begangen habe. Größer ist der Unterschied nicht.«
Pfarrer Lelouche wurde grau im Gesicht. Er starrte Dumarche an wie ein Wesen aus einer anderen Welt.
»Nun lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen, Pater. Nicht alle haben den richtigen Sinn für das Spielzeug, das Sie Kreuz nennen. Es gibt Leute, die halten es mit der anderen Fakultät. Ich bin einer davon. Hoch lebe Satan!«
Den letzten Satz hatte Leon Dumarche hinausgeschrien. Drei oder vier Männer bekreuzigten sich. Darunter auch Justin Bourquin. Er bemerkte als einziger, dass die Kerzen auf dem kleinen Altar verlöschten, als Leon Dumarche daran vorbeiging.
»Haben Sie noch einen letzten Wunsch?«, fragte Cerusier mit belegter Stimme. Seine Augen glänzten hektisch. Cerusier hatte Angst. Eine unbestimmbare Angst, deren Ursprung er nicht festlegen konnte.
»Ja«, antwortete Dumarche. »Ich möchte keine Binde vor die Augen.«
»Das ist Ihr letzter Wunsch?«
»Aber ja doch. Ich möchte schließlich etwas davon haben. Vielleicht sehe ich das Zucken eurer Augenlider noch, wenn der Scharfrichter das Fallbeil löst.«
»Ihr letzter Wunsch sei erfüllt«, quetschte Cerusier mühsam heraus.
Er nickte den beiden Polizisten zu, die bisher neben Dumarche gestanden hatten und die in diesem Augenblick von den beiden Gehilfen des Scharfrichters abgelöst wurden.
Irgendjemand stieß die Holztür zum Hof auf.
Ein einziger Scheinwerfer beleuchtete die makabre Szenerie. Sein hartes Licht holte die Guillotine aus dem Dunkel der Nacht. Und den Korb, der auf den Kopf wartete.
Der Scharfrichter war vorausgegangen. Das Brett, auf das der Delinquent gelegt werden sollte, stand senkrecht.
Die beiden Schergen des Scharfrichters drückten Dumarche dagegen. Der ganze Vorgang dauerte keine drei Sekunden.
Scharfrichter Rimbeaud legte den Hebel herum, der das Brett in die Waagerechte brachte.
Dumarches Kopf fiel genau in die Ausbuchtung. Ein Griff, und der Nackenblock mit dem Schlitz für das Fallbeil schloss sich über dem gedrungenen Hals des Delinquenten.
Ein kurzer Zug an der Leine nur – und das Fallbeil schoss herab.
Rimbeaud verstand etwas von seinem Handwerk. Der Schnitt war meisterhaft. Er hatte die Guillotine richtig justiert.
Doch der Korb stand zu nahe am Block.
Allen Erfahrungen zuwider, sprang der Kopf des Massenmörders weiter hinaus. Er fiel hinaus über das Gerüst, schlug auf den rauen Kiesboden und purzelte in grotesken Sprüngen weiter.
Bis er auf dem glatt durchschnittenen Hals liegen blieb.
Und dann geschah das Unfassbare!
Die wulstigen Lippen öffneten sich, und man sah die schadhaften Zähne. Die Augenlider fuhren hoch. Die Augäpfel blieben verdreht, zeigten das Weiße.
Und dann lachte dieser Kopf! Er lachte laut und hässlich. Ein Lachen, das aus einer tiefen Gruft zu kommen schien. Ein schleimiges, höhnisches und auf eine unheimliche Art drohendes Lachen.
***
»Verdammt«, sagte fünf Minuten später Claude Merchant, der Gehilfe des Schafrichters. »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
»Ich auch nicht«, musste Rimbeaud zugeben, »aber es muss eine natürliche Ursache dafür geben. Die Schwarzbefrackten sind alle Schlappschwänze. Hast du gesehen, wie Cerusier ohnmächtig geworden ist?«
Claude Merchant kicherte. »Ja, ich hab es gesehen, Chef. Er ist umgefallen wie ein nasser Sack. War aber auch ziemlich unheimlich, Chef. Wenn ich ehrlich bin, hab’ ich auch gezittert. Aber ich hab mal von einem ähnlichen Fall gelesen. Auf der Straße von Avignon ist kürzlich ein Lastwagen gefahren. Ich hab das in der Zeitung gelesen. Er hatte Stahlbleche geladen. Von hinten kam ein Motorradfahrer, und der hat nicht aufgepasst und sich glatt den Kopf abgesäbelt. Trotzdem hat er den Lastwagen noch überholt. Mann, hat der Fahrer geschaut, als ein Motorradfahrer ohne Kopf daherkam.«
»Na, da siehst du es ja. So was kann schon mal passieren. Unserer hat eben gelacht. Schlimmer wäre es gewesen, er wäre wieder aufgestanden und
Weitere Kostenlose Bücher