0733 - Die Silbermond-Bestie
hämmerte diese Aufforderung in ihr Bewusstsein. Immer stärker, immer häufiger. Nein, sie wollte nicht sterben, sie wollte aber auch nicht ein Teil dieses ungeheuerlichen, monströsen Etwas werden, das Bösartigkeit ausstrahlte.
Sie wollte doch einfach nur überleben!
Sie wollte sie selbst bleiben!
Sich nicht versklaven und vernichten lassen!
Sie schrie auf, als die ersten schwarzen Blätter ihre Stiefel erreichten und versuchten, sich in das weiche Material hineinzufressen. Sie trat nach ihnen, versuchte sie abzustreifen, zu zertrampeln. Aber nichts half. Auch nicht ihr abermaliger Versuch, Druidenmagie zu benutzen.
Sie war hilflos!
Und die Bestie mit ihren trüben Augen tappte langsam heran, während ihr weitere schwarze Bäume folgten, um mit ihr zu verschmelzen. Einige von ihnen warfen vorher ihre Blätter ab, die die Flut dieser kleinen, fressenden Monster weiter vergrößerten.
Vali wusste, dass sie verloren war. Dass sie nichts mehr zu ihrer Rettung tun konnte.
Sie kam hier nicht mehr lebend weg. Entweder verschmolz sie mit der Bestie, oder sie wurde getötet. Und das garantierte ihr auch nicht, dass das unheimliche Ungeheuer nicht ihre Lebensenergie in sich aufsaugte und Vali trotzdem noch zu einem Teil seiner selbst werden ließ!
Warum ich?
Und niemand war da, um ihr zu helfen.
Sie war verloren…
***
Julian betrachtete das weitere Vorgehen der Echsenmenschen aus einigen Metern Abstand. Er war bis an die Wand des Laborraumes zurückgetreten.
Immer noch grübelte er. Diese schwarzen Funken, die aus ihm heraus gekommen waren - was bedeuteten sie?
Schwarze Magie?
Aber die hatte er doch nicht eingesetzt! Noch nie in seinem Leben!
Wirklich nicht? fragte eine Stimme in seinem Unterbewusstsein. Hast du wirklich niemals Schwarze Magie verwendet? Prüfe dich selbst!
Und er begriff, dass die Stimme seines Gewissens Recht hatte.
In jener Zeit, als er heranwuchs, hatte er alles ausprobiert. Und er hatte sich selbst zum Fürsten der Finsternis gemacht! Nicht für lange Zeit, weil er der Macht schnell überdrüssig wurde. Als er der Hölle den Rücken kehrte, war dann Stygia zur Fürstin geworden, durch einen kleinen Trick, den er ihr heute noch übel nahm. Aber damals, als er auf dem Knochenthron saß, hatte er auch Schwarze Magie angewandt!
Nicht im großen Stil. Nicht, um Menschen zu schaden. Sondern um die Dämonen in Schach zu halten, die ihm seine Stellung neideten, die gegen ihn opponierten. Er hatte sie in ihre Schranken verwiesen.
Wie viele Jahre lag das jetzt zurück? Zehn? Oder mehr? Es war irrelevant. Es hatte stattgefunden, und es interessierte ihn längst nicht mehr.
Schwarze Magie…
Erbe seines Großvaters!
Asmodis, mehr als tausend Jahre lang Fürst der Finsternis, hatte Robert Tendyke gezeugt, und Robert Tendyke zeugte Julian Peters.
Die Schwarze Magie hatte sich erhalten, lebte in Julian weiter.
Er benutzte sie schon lange nicht mehr. Aber sie war noch da. Und sie schien jetzt wieder eine Rolle zu spielen.
War es dieses dunkle Erbe, das ihn dazu gebracht hatte, Schöpfer spielen zu wollen? Das ihn dazu gebracht hatte, auf eigene Faust Lebensbäume erwecken zu wollen?
Hatte er Schwarze Magie angewandt, ohne sich dessen bewusst zu sein?
Vielleicht konnte Zamorra das überprüfen. Aber irgendwie scheute Julian davor zurück, den Unsterblichen darum zu bitten.
Die Kältepriester dagegen…
Als Tzakk Rakko einmal herüber sah, gab Julian ihm ein Zeichen. Es signalisierte dem Tempelherrn, dass der Träumer mit ihm sprechen wollte.
Rakko ließ sich Zeit. Der oberste Priester der Kälte ließ sich auch von einem Julian Peters nicht kommandieren, aber nach einigen Minuten kam er zu ihm.
»Wie kann ich dir dein Leben erleichtern?«, fragte er, und es klang beinahe höhnisch.
Aber nur beinahe.
»Ich bitte dich, Tempelherr, festzustellen, ob diese Lebensbäume durch Schwarze Magie erweckt wurden«, sagte Julian knapp.
»Eben daran arbeiten wir«, erwiderte Rakko. »Sofern du keine weiteren Wünsche hast, darfst du uns unsere Arbeit fortsetzen lassen.«
Arroganz, die ihm selbst entgegensprang, mochte Julian nicht, der sich selbst oft genug von seiner arroganten Seite zeigte.
»Ich gestatte es«, sagte er kalt. »Ihr solltet euch beeilen, ehe größeres Unheil geschieht.«
Der Tempelherr maß ihn mit einem abschätzigen Blick. »Bei Gelegenheit sollten wir definieren, was die Ursache größeren Unheils sein könnte.« Er wandte sich ab und kehrte zu den anderen Priestern
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