0733 - Ort des Schreckens
verändert aussah. Sollte das der Fall sein, mußten noch menschliche Gefühle in ihr wohnen. Dann war die Hoffnung nicht verloren.
Suko streckte einen Arm aus, weil er ihr die Hand auf die Schulter legen wollte. Es sollte eine Geste des Trostes werden, doch Susan faßte sie nicht so auf. Sie schüttelte sich und keuchte: »Laß mich los!«
»Ich nehme dich mit!«
»Nein!« Sie kreischte die Antwort, dann fuhr sie auf dem Absatz herum und starrte Suko an.
Obwohl er sie schon einmal gesehen hatte, durchtoste ihn abermals ein Schock. Der Mund am Hals.
Haare, die wie ein blonder Pelz zwischen den Brüsten und aus dem Ausschnitt wuchsen, und dort, wo sich der Mund hätte befinden müssen, hatte sich die Haut zusammengezogen, als wäre sie falsch angenäht worden.
Sie sah scheußlich aus.
Suko schluckte.
Sie starrte ihn an.
Ihr Blick war kalt und grausam. Er hatte nichts Menschliches mehr an sich, und die Lippen, die an der dünnen Halshaut etwas vorstanden, bewegten sich zitternd.
Damit sprach sie auch.
»Geh - geh weg…!«
»Ich bleibe!«
»Dann bist du des Todes!«
»Ich lasse es darauf ankommen, Susan. Wer - wer hat dir das angetan? Was ist geschehen? Was wollte die große Fledermaus? In welch einem Verhältnis stehst du zu ihr?«
Der Inspektor ging davon aus, daß Susan die Fragen verstanden hatte, nur bekam er keine Antwort.
Sie blieb stumm, sie hatte die Augen gedreht und schaute an ihm vorbei. Die obere Gesichtshälfte nahm einen Ausdruck an, den er als versonnen ansah, als wäre diese Person mit ihren Gedanken überhaupt nicht mehr in dieser Welt, sondern aus ihr geflohen, um andere zu erkunden.
Suko streckte seine Hand aus und konzentrierte sich dabei auf Susans Mund. Er konnte es noch immer nicht fassen, daß sich die Lippen am Hals abmalten und auch sprachen. Aus dem Fenster fiel ein schwaches Licht, dessen Stärke trotzdem ausreichte, um Suko sogar die rote Farbe der Lippen erkennen zu lassen.
»Laß mich!«
»Nein, ich…«
»Du sollst mich lassen!« Sie schlug nach ihm, traf seine Hand, ging zur Seite und dann vor.
Das war so schnell passiert, daß Suko davon überrascht wurde. Als er sich drehte, schaute er auf ihren Rükken. Sie trug nur den Body, lange Beine begannen dort, wo der Saum aufhörte, und die Füße verschwanden in hochhackigen Schuhen. Diese Frau war völlig unpassend gekleidet, doch Susan hütete sich davor, auch nur zu lächeln.
Sie ging einfach weg.
Der Inspektor folgte ihr. Susan hörte seine Schritte, stoppte und drehte sich um.
»Hüte dich!« flüsterte sie.
Sie hatte nur zwei Worte gesagt. Wie die allerdings ausgesprochen worden waren, ließ Suko stutzig werden. In diesen beiden Worten lagen eine Drohung und ein Wissen zugleich. Sie wollte damit warnen und abschrecken, was bei den meisten Menschen auch gelungen wäre, nicht aber bei Suko.
Er brauchte diese Person. Er mußte sie seinem Freund John Sinclair zeigen, denn nur sie konnte die Lösung des Rätsels bringen. Susan war die einzige Spur in diesem rätselhaften und ungewöhnlichem Fall. Deshalb konnte er nicht klein beigeben.
»Nein, Susan, du kommst mit!«
Dann hielt er sie fest.
Er wußte genau, daß sie nicht zu den Schwächsten gehörte. Er rechnete mit einer Gegenwehr, doch Susan tat zunächst nichts. Sie schaute ihn nur an.
Ihre Augen wirkten wie Glasscherben, die Pupillen darin verschwammen, der gesamte Blick kam ihm abweisend vor. Susan war geistig nicht bei der Sache. Sie hörte auf eine andere Stimme, die ausschließlich für sie da war.
Im nächsten Augenblick hörte Suko das Geräusch!
Es war ein ungewöhnliches Tirilieren, es kam aus einer unermeßlichen Ferne. Es pfiff hohl, als würde Wind durch Knochenlücken alter Skelette wehen.
Gleichzeitig zuckte Susan unter seinem Griff.
»Was ist los?«
»Zu spät«, sagte sie.
Damit hatte sie recht. Das hohle Pfeifen wiederholte sich nicht nur, es klang jetzt deutlicher, und gleichzeitig bekam Suko die andere Kraft zu spüren, die ihn überrollen wollte. Er konnte sie nicht fassen, sie war da, aber nicht sichtbar. Sie war wie ein Sog, der die alte Knochenmusik begleitete.
Suko wollte Susan loslassen. Er wußte, daß es falsch war, wenn er länger bei ihr blieb. Das Bewußtsein einer irrsinnigen Gefahr hatte ihn überfallen, und ihr wollte er sich nicht aussetzen.
Jetzt war es Susan, die ihn festhielt. Seine Hand konnte Suko noch in Sicherheit bringen, aber das Anfassen ließ sich nicht verhindern. Sie war einfach zu
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