0733 - Ort des Schreckens
Glück, denn der Stoff traf in der Mitte nicht zusammen und hatte noch eine ziemlich große Lücke freigelassen, durch die Suko bequem in den Raum hineinpeilen konnte.
Sie war da.
John hatte sie ihm kurz beschrieben. Es war eine blonde Person. Und die Frau hatte tatsächlich blonde Haare, die ihm den Rücken zuwandte. Einen fast nackten Rücken. Er wurde von einem hauchzarten Body umflattert, der mehr preisgab, als er verhüllte.
Suko war nicht gekommen, um den Spanner zu spielen, er wollte mit dieser Person reden, wußte nun, daß sie im Zimmer war und konnte es noch einmal auf dem normalen Weg versuchen.
Er war schon im Begriff zu gehen, als sich Susan Carter umdrehte. Sie bog dabei ihren Rücken durch, streckte sich und schaute gegen das Fenster.
Suko traf fast der Schlag.
Er sah ihr Gesicht, er sah ihren Kopf, er sah…
Nein, das war kein Mensch mehr.
Vor ihm stand, nur durch die Fensterscheibe getrennt, eine Mutation, ein Monster…
***
Susan Carter bot einen schrecklichen Anblick, den auch ein Mann wie Suko so leicht nicht verdauen konnte. Es fing damit an, daß ihre Haare fehlten. Sie hatte einen völlig glatten Kopf, aber die Haare waren trotzdem vorhanden. Sie wuchsen noch sehr dünn auf ihrem Kopf, als hätte ein Friseur eine neue Frisur kreiert. Die meisten blonden Haare aber quollen aus dem Ausschnitt des Bodies hervor wie ein dichter blonder Pelz, der zwischen den Brüsten hochwuchs und möglicherweise am Bauchnabel begann. Das war nicht alles. Dort, wo sich normalerweise der Mund hätte befinden müssen, war er nicht mehr. Aber er war auch nicht verschwunden, er hatte nur einen anderen Platz gefunden und befand sich dort, wo bei einem Mann der Adamsapfel war, am Hals also. Suko sah sogar die vollen Lippen, zwischen denen das Weiß der Zähne schimmerte. Ansonsten war die Frau »normal«.
Der Inspektor wankte zurück, verlor aber nicht die Kontrolle und duckte sich, bevor er neben dem Fenster und dicht an der Hauswand gepreßt stehenblieb.
Verdammt auch! Was war das? Wohin hatte ihn John da geschickt? Hatte er vielleicht gewußt, was ihn erwarten würde? Suko konnte es nicht glauben, denn John hätte ihm bestimmt Bescheid gegeben.
Auf seiner Stirn lagen die kleinen Schweißperlen. Das war ein Schock um Mitternacht, und er fragte sich, wie es jetzt wohl weiterging. Jedenfalls durfte er diese Person auf keinen Fall aus den Augen lassen. Sie durfte ihm nicht entkommen.
Er wartete.
Sekunden vergingen, reihten sich aneinander und wurden zu einer Minute. Suko hatte noch immer keinen Entschluß gefaßt. Vielleicht sollte er zurückgehen und mit John telefonieren. Dann aber hätte er das Geschöpf - als nichts anderes sah er Susan Carter an - aus den Augen lassen müssen. So etwas wollte er auch nicht.
Noch überlegte er, als er ein bestimmtes Geräusch hörte. Es entstand immer dann, wenn ein Fenster geöffnet wurde, das etwas an seinem Rahmen klemmte.
Hier war es der Fall, und tatsächlich öffnete Susan Carter ihr Zimmerfenster.
Suko blieb stehen. Am liebsten wäre er in die Wand gekrochen, um mit ihr zu verschmelzen. Er war froh, daß auf dem Hof kein Licht brannte. Nur die feuchten, dünnen Dunsttücher durchwallten ihn.
Und das Licht, das aus den Fenstern drang, war so fern, daß es ihn nicht störte. Es waren nur mehr blasse Flecken.
Die Frau bewegte sich vor. Suko spürte es mehr, als daß er die Person auch sah.
Sie schaute in den Hof.
Warum tat sie das? Hatte sie Suko doch gesehen? Oder erwartete sie möglicherweise Besuch? War sie nicht allein auf dieser Welt? Gab es noch ein ähnliches Monstrum, das zu ihr gehörte?
Es war alles möglich, aber Suko konnte beruhigt sein. Vorerst tat sich nichts.
Er kam aber auch nicht weg und mußte warten, bis sich Susan Carter zurückgezogen hatte.
Es dauerte.
Sie schaute noch immer. Suko sah den Hauch eines Schattens, der sich auf dem Boden abmalte. Er sah auch, wie sie ihren Kopf bewegte, einmal nach links, dann nach rechts schaute. Zum Glück nicht so weit, als daß sie Suko gesehen hätte.
Dann hörte er ein seltsames und ungewöhnliches Geräusch.
Ziiip… ziiippp… ziiippp…
Mal schneller, mal weniger schnell. Auf jeden Fall sehr ungewöhnlich. Es hörte sich an, als wäre diese Person dabei, irgend jemand einen Nachricht zu überbringen.
Aber wem?
Suko wartete ab.
Das Geräusch wiederholte sich. Diesmal lauter. Wenn er sich vorstellte, daß sich dabei der Mund auf der dünnen Haut des Halses bewegte, wurde ihm schon
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