0736 - Mosaik des Todes
sich aus.
Teri verschob den Versuch, Avenge auszufragen auf später. Sie hätte den vieren unten am Rand des Schlundes gerne geholfen und kam sich überflüssig vor.
Neben ihr standen Kroan und An'dean. Beide sagten schon seit einer Stunde kein Wort. Teri hätte gerne gewusst, welche Gefühle die Männer erfüllten, angesichts des Angriffs auf den Todfeind ihres Volkes.
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Seanzaara durch die nebelumwaberte Schlucht oberhalb ihres Hügels trat. Der Anfang dieser Schlucht wirkte von Teris Standpunkt wie der Eingang zu einer Höhle. Die Hexe wurde von mehreren Ta'sean begleitet. Es sah im ersten Augenblick aus, als wollten sich die halbintelligenten Raubtierwesen auf sie stürzen. Doch waren sie wohl eher als Schutztruppe gedacht.
Schutztruppe? Gegen wen oder was?, durchfuhr es die Druidin, als sie sich umdrehte, um die Hexe und ihre Begleitung anzusehen.
Seanzaara schien auf jemand zu warten. Sie blieb an der obersten Stufe stehen und versuchte, ihre hüftlangen braunen Haare zu bändigen. Hellblauer Nebel umwaberte ihre Beine, zwei Ta'sean standen rechts und links hinter ihr, auf und neben den Treppenstufen konnte Teri Totenschädel erkennen.
-Dahinter traten fünf Wesen, die An'dean glichen, an den Ta'sean vorbei und bewegten sich auf die Mauer der Schmerzen zu.
Alle fünf waren gesichtslos!
Diese Wesen bewegten sich, als ob sie in Trance wären.
Kroan regte sich neben Teri. Er stieß An’dean an die Schulter.
Er schrie: »Dort, die fünf Bestraften!«
An'dean versteifte sich, seine Hände zitterten.
»Nein!«, stieß er hervor. »Das wird sie doch nicht… Das kann sie doch… nicht!«
»Was ist mit ihnen?«, erkundigte sich Teri, die sich vorkam, als würde in diesem Augenblick ein Stück gespielt und sie säße im Theater ganz hinten und bekäme nichts von den Ereignissen auf der Bühne mit.
»Die Gesichtslosen…«, versuchte Kroan zu erklären, doch er schien unter Schock zu stehen. Bei An'dean war es noch schlimmer, der Gezeichnete zitterte wie Espenlaub.
»Woher kommen sie? Ich denke, An'dean ist der einzige Caltar, der diese grausame Strafe überlebt hat…« Teri war verwirrt, Kroan und An'dean hatte ihr noch nichts von der Strafe für die fünf Männer aus Horans Gruppe erzählt.
»Nicht mehr. Gestern hat Seanzaara die fünf bestraft, die ich damals auf der Erde freiließ«, erklärte Kroan mit harter Stimme.
»Aber ich denke, die waren zu sicheren Welten unterwegs…« Teri war fassungslos.
»Das dachte ich auch«, versicherte Kroan, und ihm war anzuhören, dass ihm das Schicksal der fünf in der Seele weh tat.
Die fünf Männer hielten an der Mauer der Schmerzen an, bückten sich synchron und luden sich jeder mindestens fünfundzwanzig Seelen-Tränen in eine Art überdimensionalen Rucksack.
An'dean wusste sofort, was das bedeutete. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sein dürrer, ausgemergelter Körper schwankte. Er hielt sich an Kroans Armen fest, da er befürchtete, ohne diesen Halt wahnsinnig zu werden.
›NEIN!‹, hallte sein telepathischer Schrei über den Schlund. ›Das kannst du nicht tun!‹
Alle hier draußen vernahmen diesen Schrei der höchsten Qual. Sogar die fünf Wesen, die neben der Hexe an der Mauer der Schmerzen standen. Sie verhielten kurz in ihrer Arbeit, machten aber gleich wieder weiter.
Kroans Gesicht wirkte wie versteinert. Seine sonst dunkelbraune Haut wurde von einer Sekunde zur nächsten kalkweiß.
»Ich glaubte bisher nicht, dass sie zu allem fähig ist«, stammelte er. Was er meinte, verriet er nicht.
Seanzaara brachte einen nach dem anderen mit einem distanzlosen Schritt an den Rand des Schlundes heran, sodass sie vor den vier Dhyarraträgern standen, die nun ihre Arbeit einstellten und fragend auf die Gezeichneten blickten. Noch während Seanzaara den zweiten Gesichtslosen holte, bewegte sich der erste rasend schnell in den Zerstörungsherd. Ungefähr alle zwanzig Meter legte er eine von D'Halas Seelen-Tränen auf den Boden. Der zweite folgte seinem Beispiel, dann der dritte. Jeder schlug eine andere Richtung ein als sein Vorgänger. Auch sie arbeiteten sich halbkreisförmig voran. Nachdem der fünfte mit seiner Arbeit fertig war, stand er ebenso starr wie seine Gefährten knapp zweihundert Meter in zerstörtem Gebiet.
Teri kniff die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. Täuschte sie sich?
Da waren doch eben sechs Körper zu sehen, dachte sie und schüttelte den Kopf. Und er hat genauso ausgesehen, wie die
Weitere Kostenlose Bücher