0736 - Mosaik des Todes
von Blut, Schweiß, Dreck und Fäkalien war allgegenwärtig. Ebenso wie das Geflüster und Geraune der Versammelten. Nur wenige windschiefe Lehmgebäude waren weit entfernt zu sehen. Ansonsten herrschten hier Sand und Steine vor.
Eine große Menge Caltaren hatte sich auf der Hochebene unweit der Mauer der Schmerzen versammelt. Seanzaara hatte alle zu einer Gerichtssitzung geladen. Es sei wichtig, hatte sie erklärt, denn es würde sich um den größten Verrat seit caltarengedenken handeln.
Die hier versammelte Schar von sicher mehr als 5.000 Caltaren hatte demzufolge nur die Gesprächsthemen: Wer war der Verräter, und was hatte er angestellt?
Kroan fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er hatte ein seltsames Gefühl bei dieser Versammlung. Seine rechte Hand strich über das breite Lederarmband an seinem linken Unterarm, ein Gegenstück zu Zamorras Fundsache. Als Kleidung trug er, wie die meisten seiner Artgenossen, eine Art Poncho und darunter eine kurze Hose ohne Gürtel und ein kurzärmeliges Hemd, das am Kragen mit einer Schnur zusammengehalten wurde.
Hau ab, so schnell du kannst, sagte ihm eine innere Stimme. Der Caltarenanführer zögerte. Welche Veranlassung sollte er haben, von der Hochebene zu verschwinden? Nur dieses Gefühls wegen? Und welche Entschuldigung sollte er geltend machen, dass er nicht bei der Anklage dabei sein wollte?
Tut mir Leid, aber mir war gerade so seltsam zu Mute?
Alle hätten ihn ausgelacht und für unzurechnungsfähig erklärt.
Der hoch gewachsene Caltarenanführer hob die Oberlippe etwas und zischte durch die Zähne, das caltarische Äquivalent des Kopfschüttelns. »Ganz bestimmt nicht«, knurrte er sich selbst an.
Er versuchte, die Menge zu überblicken. Ein Unterfangen, das sinnlos war, zu viele seiner Artgenossen befanden sich hier.
An'dean, ein Mann aus seiner Truppe, bemerkte seine prüfenden Blicke. Der Gesichtslose trat näher, sein Körper war so hager wie ein knorriger Ast.
Die meisten Caltaren blickten zur Seite, als er sich einen Weg durch die Versammelten bahnte. Ihnen schien, als würden sie bei einem Blick in das, was von seinem Gesicht übrig geblieben war, den Verstand verlieren. Eine wirbelnde, gelbweiße Masse, die keine Sekunde still zu stehen schien und die sich unaufhörlich zusammenzog und entspannte wie ein schlagendes Herz, war das Einzige, was von seinem Gesicht übriggeblieben war.
An'dean konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Als er einmal versucht hatte, sein Antlitz in einem Spiegel zu sehen, wäre er fast wahnsinnig geworden.
Kroan war der Einzige, der sich nicht darum kümmerte, dass er ein bestrafter Gesichtsloser war. Er behandelte ihn genauso, wie die anderen Männer und Frauen aus ihrer Gruppe. An'dean nannte ihn deshalb seinen Freund.
»Was ist los… mit dir?«, wollte der Gesichtslose wissen. »Dich bedrückt doch… etwas…«
An'deans Sprechweise klang immer etwas abgehackt. Irgendwie holprig, so, als ob es ihm Schmerzen bereiten würde, mit anderen Wesen zu kommunizieren.
Kroan hielt ihm beide Handflächen entgegen. Damit wollte er seine Ratlosigkeit demonstrieren.
»Ich weiß selbst nicht, was es ist«, gestand er. »Ich habe ein Gefühl, dass Gefahr auf uns zukommt.«
Im undefinierbaren Überrest von An'deans Gesicht konnte Kroan nicht lesen. Aber die Körperhaltung des Gezeichneten sagte viel über darüber aus, dass er überrascht war. An'dean gab viel auf Kroans Gefühle. Immer dann, wenn sie darauf hörten, entgingen sie einem Unglück.
»Auf… uns? Auf wen… genau?«
»Ich kann dir nicht sagen, wen genaù es treffen wird«, antwortete Kroan, »aber ich werde garantiert dabei sein.«
»Das ist nicht… dein Ernst…« Der Gesichtslose war bestürzt.
»Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ah…«
Das Getuschel wurde leiser, alle Augen richteten sich auf eine Person, die mit langsamen, gemessenen Schritten auf den Gerichtsplatz zuschritt.
Seanzaara!
Die schlanke, nur knapp einen Meter vierzig kleine Hexe wusste genau, wie sie ihre Auftritte wirksam in Szene setzen konnte. Er hobenen Hauptes ging sie auf ein Holzgestell zu, welches extra für solche Gelegenheiten erstellt wurde. Es handelte sich um eine Art quadratisches Podest, mit den Seitenlängen von knapp acht und einer Höhe von etwa fünf Metern. Eine Holztreppe, auf der Seanzaara quälend langsam hochging, führte zu dieser Plattform empor. Ebenso langsam schaute sie über die Versammelten hinweg, bis ihr Blick an Kroan hängen blieb.
Ihrem Gesicht war
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