0737 - Kreaturen der Finsternis
einer Stelle hockenblieben. Sie huschten durch das Unterholz, glitten über altes liegengebliebenes Laub hinweg, bewegten die Grashalme, so daß deren Spitzen zitterten, flüsterten, schnaubten, wisperten, als wollten sie sich gegenseitig die Botschaft vermitteln, wer da unterwegs war.
Die Furcht saß tief.
Er schluckte sie herunter und stellte schon sehr bald fest, daß er sich zuviel vorgenommen hatte.
Die Furcht blieb…
Sie verteilte sich auf drei Zeitebenen. Er ängstigte sich vor der Vergangenheit, vor der Gegenwart und vor der Zukunft. Vor ihr besonders, wenn er an seinen Schwur dachte. Und er wollte die Mutter auf keinen Fall enttäuschen.
Sabka ging weiter.
Nicht mehr als ein Schatten in der Nacht und ebenfalls von zahlreichen Schatten verfolgt, in die sich der klagende Schrei eines in seinem Versteck lauernden Uhus mischte.
Ein Vogel der Nacht, auf Jagd nach Beute…
Auch er fühlte sich in diesem Wald als Geschöpf der Nacht. Nur wollte er keine Beute werden.
Lebten die Eltern noch?
Je näher er dem Haus kam, um so schrecklicher peinigte ihn der Gedanke. Das Gefühl, ein Verräter zu sein und nichts getan zu haben, um das Leben der Eltern zu verteidigen, peinigte ihn so stark, daß sich das Gefühl des Weinenmüssens in ihm einstellte und er sich davor fürchtete, alles falsch gemacht zu haben.
Alles…
Ein Zurück gab es trotzdem nicht, auch wenn er es sich gewünscht hätte.
Sabka zog die Nase hoch. Er verfluchte das Brennen in seinen Augen. Das Tränenwasser verschleierte seinen Blick noch mehr. Da wurden die Bäume plötzlich zu Schatten, die auf einer wogenden Wasserfläche zu tanzen schienen.
Die Furcht war das Gift, das ihn unterwandert hatte. Als er den Wald endlich verließ, war er nicht einmal froh darüber.
Vor ihm lag eine freie Fläche.
Bei Tageslicht hätte er weit schauen können, jedoch nicht in der Nacht. Da waren die Schatten einfach zu tief, sie drückten sich dem Boden entgegen, aber vor ihm, gar nicht mal so weit entfernt, hatten sie einen Umriß bekommen.
Dort stand das Haus.
Sabka konnte es zwar nicht richtig sehen, dafür aber riechen. Es war der typische Geruch nach kaltem Rauch, der aus dem Schornstein geweht worden war und sich noch hielt.
Er schnupperte.
Nein, kein neues Feuer. Kein Brandgeruch, durch den er die brutale Zerstörung des Hauses hätte mitgeteilt bekommen. Es war einfach der normale Geruch, wie er ihn kannte.
Jiri Sabka blieb nicht mehr stehen. Er ging die breite Wiese hinab. Kein Zaun engte ihn ein, er konnte normal laufen. Es machte ihm nichts mehr aus, obwohl seine Knie noch immer zitterten. Er fand den Weg, er sah das Haus, und er dachte wieder an seine Eltern, die ihr Leben lang geschuftet hatten und nie akzeptiert worden waren, weil sie eben nicht zu ihnen gehörten.
Nicht zu den Einheimischen, die oft schon seit Generationen in dieser Gegend lebten. Die Sabkas waren andere, sie waren dazugekommen, sie waren fleißig gewesen, und sie hatten es geschafft, sich ein kleines Haus in die Einsamkeit zu bauen.
Etwas farmähnlich, so daß sich die Familie selbst ernähren konnte. Seine Mutter war eine kluge Frau gewesen, was Heilkräuter anging. Oft genug fuhr sie auf Märkte, um ihre Mittel zu verkaufen, die tatsächlich gegen die allgemeinen Wehwehchen des Alltags halfen.
Sein Vater schrieb.
Er schrieb und übersetzte. Von seinen Einkünften als Romancier und Lyriker konnte er nicht leben, aber die Übersetzungen brachten genügend Geld, denn sehr viele Menschen, die Slavistik studiert hatten, gab es nicht. Und der Vater, in frühen Jahren aus Rumänien geflohen, gehörte zur Spitze, wenn er nicht sogar der beste war.
Intensiv dachte Jiri über seine Eltern nach, als er sich dem Haus näherte.
Es war still.
Nicht einmal nächtlich still, sondern schon beklemmend. Jiri fühlte sich überhaupt nicht gut. Er stand unter dem Druck, sich beweisen zu müssen. Er merkte immer mehr, daß es jetzt auf ihn allein ankam und daß das Unausweichliche geschehen war.
Sein Mund verkantete sich ebenso wie das übrige Gesicht. Es hatte einen harten, sehr entschlossenen Zug bekommen. In seinen dunklen Augen war die Glut entfacht worden. Er würde sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, er wollte abrechnen, wenn es so sein mußte.
Noch einmal dachte er an die letzten Minuten, bevor er aus dem Haus gelaufen war. Da war etwas geschehen, was es zuvor noch nicht gegeben hatte.
Seine Mutter hatte ihn geschlagen.
Ja, sie hatte ihn aus dem Haus getrieben und
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