0737 - Kreaturen der Finsternis
drang ein lauter, irrer Schrei.
Dann brach er zusammen!
***
Jiri Sabka wußte nicht, wie lange er vor der offenen Schlafzimmertür gelegen hatte. Es konnten nur Minuten gewesen sein, obwohl sie ihm vorkamen wie Stunden.
Er war auch nicht bewußtlos geworden, er dämmerte nur einfach dahin, war in einen Zustand hineingeraten, der zwischen Traum und Wirklichkeit lag.
Irgendwann stand er auf.
Es fiel ihm schwer, doch tief in seinem Hinterkopf mußte jemand sitzen, der ihn gewarnt hatte. Da war eine Stimme, die ihm klarmachte, daß er derjenige war, der noch lebte, der kämpfen mußte und nicht aufgeben durfte.
Er hatte überlebt.
Er hatte eine Aufgabe.
Er war der Rächer!
Jiri spürte die Gedanken wie Impulse, die durch seinen Kopf jagten. Er rollte sich zur Seite, ohne sich bewußt zu sein, daß er es überhaupt tat.
Dann stand er auf.
Dabei bewegte er sich wie ein kleines Kind. Schwindel hielt ihn umfangen, seine Knie waren durchgeweicht, er hätte sich am liebsten verkrochen. Gleichzeitig wußte er auch, daß er jetzt stark sein mußte und nicht aufgeben durfte. Es lag allein an ihm, nur an ihm. Auf seine Eltern konnte er sich nicht mehr verlassen.
Er stand keuchend auf dem Fleck, den Kopf gesenkt, den Blick starr zu Boden gerichtet. Nach einer Weile bewegte Jiri seine Augen und schaute nach links.
Jiri wußte, daß sein Vater keine Chance mehr besaß, daß er längst tot war, aber er konnte einfach nicht liegenbleiben. Er mußte sich überzeugen. Er ging hin.
Sein Vater lag neben dem Bett auf dem Rücken. Er sah schrecklich aus. Jemand hatte sich an ihm ausgelassen, und das konnte einfach kein Mensch gewesen sein.
Eine Kreatur der Finsternis…
Nur ihr war eine derart scheußliche Tat zuzutrauen. Weinend wandte sich Jiri ab. Sein Rücken war wie eingefroren. Er stand unter Schock, was er kaum wahrnahm.
Mit unsicheren Schritten tappte er an der Unterseite des Bettes entlang zur anderen Seite des Bettes, die er bisher noch nicht eingesehen hatte.
Noch ahnte er es nur, wenig später aber wußte er es.
Da lag seine Mutter!
Eigentlich hätte er zusammenbrechen müssen, doch er hielt sich auf den Beinen und wunderte sich über sich selbst. Er stand da und schaute, ohne den fürchterlichen Anblick genau wahrzunehmen, weil sich sein Gehirn einfach weigerte dies zu tun.
Statt dessen bildete sich so etwas wie eine Schutzfunktion. Jiri Sabka sah seine Mutter nicht mehr in diesem schrecklichen Anblick, für ihn war sie ein herrlich weißes Wesen mit dem Gesicht eines Engels. So wunderbar fein geschnitten, so ätherisch schön, und er sprach immer wieder den Namen seiner Mutter aus.
Sie gab keine Antwort.
Jiri lächelte. Dabei rannen Tränen über seine Wangen. Sie ließen sich einfach nicht stoppen, die Trauer war zu tief.
Angst umklammerte ihn.
Freude durchzog ihn.
Es wechselte sich gegenseitig ab, denn nun war seine Mutter ein Engel. »Es geht dir doch gut, nicht wahr?« fragte er mit einer Stimme, die an die eines Kindes erinnerte, denn er fühlte sich irgendwo zurückversetzt in seine Kindheit. Sein Innerstes wollte es einfach nicht wahrhaben, daß er jetzt allein auf dieser Welt stand, ohne den elterlichen Schutz. Zwar war er dem Gesetz nach erwachsen, doch bisher hatte er sich noch immer auf seine Eltern verlassen können.
Das war nun vorbei.
Endgültig aus!
Es dauerte lange, bis er es schaffte, sich zu bewegen. Er hob den rechten Arm und winkte. Es war ein Abschiedsgruß an seine Mutter, der aber durchaus beiden galt.
Er drehte sich um. Jung an Jahren, sich aber wie ein Greis bewegend. Für einen Moment kam ihm in den Sinn, daß er sie beerdigen mußte. Ihr Tod mußte gemeldet werden, doch wie sollte er den zuständigen Stellen begreiflich machen, daß es Kreaturen der Finsternis gewesen waren, die seine Eltern ermordet hatten. Das war nicht möglich, die würden ihn doch für den Täter halten. Nein, so ging das nicht. Er konnte sich nicht damit herausreden, er würde…
Flucht!
Diese eine Lösung unterbrach seinen Gedankengang. Es gab nichts anderes als die Flucht. Die Beine in die Hand nehmen und wegrennen. Möglichst so weit wie möglich und sich dann auf die Jagd nach den Kreaturen machen. Er mußte sie suchen und finden. Er wußte, daß sie sich überall versteckt hielten. Es gab keine andere Möglichkeit mehr für ihn. Er war der Rächer, er war die Person, die über die Kreaturen Bescheid wußte, und vielleicht würde es ihm sogar gelingen, Verbündete zu finden, denen er sich
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