0737 - Kreaturen der Finsternis
verbannte. Er blieb selten über Nacht weg, sicherlich lag er schon in seinem Bett.
Und neben ihm die Mutter…
Jiris Lippen zuckten. So vertraut und anheimelnd ihm diese Szene auch vorkam, er wollte einfach nicht daran glauben, daß sie auch eintraf. Irgend etwas war da nicht richtig. Es störte, und er spürte wieder die Glocke des Grauens.
Das Schicksal hielt eine Überraschung für ihn bereit. Er atmete schnell und flach.
Nach links mußte er gehen.
Noch immer verzichtete er auf Licht.
Die Dunkelheit saugte an ihm, sie zerrte ihn vor, sie ließ ihn nicht mehr los.
Schwach zeichnete sich der Beginn des kleine Flurs zum Schlafzimmer der Eltern ab. Er war wirklich nicht groß. Das Wichtigste an und in ihm war die nach oben führende Treppe.
Aus Holz war sie gebaut worden. Jeder Tritt schallte in seinen Ohren wider. Kein Teppich dämpfte die Geräusche. Er spürte das Wachsen der Spannung. Ein Teil seines Ichs wehrte sich vor dem weiten Weg.
Er ging ihn trotzdem.
Beide Hände geballt. Fingernägel drückten tief in seine Handballen. Er wollte weitermachen. Er wollte auch den Schmerz spüren, damit er das Gefühl hatte, nicht zu träumen. Seine Augen brannten, die Lippen zuckten, die Kehle saß zu, sein Atem rasselte, wenn er es schaffte, Luft zu holen.
Jiri ließ die Treppe hinter sich. Den Flur kannte er so gut wie alles in diesem Haus. Auch ohne Licht zu machen, konnte er sich bewegen und schlich auf die Tür des Schlafzimmers zu.
Sie war verschlossen.
Durch zwei kleine Fenster sickerte Nachtlicht als graublasse Streifen. Die Tür war normal, sie sah für ihn trotzdem anders aus. Jiri ächzte, als er seine Hand auf die Klinke legte, den Kopf zur Seite drückte und das Ohr gegen die Tür legte.
Er wollte hören, ob seine Eltern schliefen. Manchmal schnarchten sie, dann wäre er beruhigt gewesen.
Die Stille aber befremdete und ängstigte ihn. Das war nicht normal, nicht in dieser verdammten Nacht, wo die Kreaturen der Finsternis wieder unterwegs waren.
Seine Eltern hatten sie erkannt, und er verfügte ebenfalls über diese Gabe. Sie war durch Vater und Mutter vererbt worden. Er konnte hinter die Dinge schauen, hinter die Masken, er sah dort ein zweites oder auch das wahre Gesicht.
Seine Hand lag auf der Klinke. Ein Druck nur trennte ihn von dem absoluten Wissen.
Jiri überwand sich. Er schaffte es, seine schlimmen Gedanken einfach auszulöschen. Nichts sollte ihn mehr stören, nichts sollte zwischen ihm und dem Entdecken stehen.
Der Weg war frei!
Er hatte die Tür sogar etwas heftig aufgestoßen. Beinahe wäre ihm die Klinke aus den Fingern geglitten. Er ging nach vorn, stand im Zimmer und traute sich nicht, das Licht einzuschalten.
Er schaute nach links.
Da war das Fenster.
Ein graues Rechteck in der Wand. Dahinter ballte sich die nächtliche Dunkelheit wie auf der Bühne des Grauens. In der Nähe stand ein kleiner Hocker. Es war der Stammplatz, und über ihm befand sich der Lichtschalter.
Eigentlich waren es zwei Schalter. Wenn er den unteren betätigte, wurden die Lampen auf den Nachttischen hell. Der obere galt allein für das Deckenlicht.
Sekunden verrannen…
Jiri überkam das Gefühl von Schlamm oder Teer. Er konnte damit kaum etwas anfangen, aber es war da, ließ sich nicht vertreiben und sandte ihm einen Geruch entgegen, den er nicht mochte, ihn jedoch einatmete und ihn auch auf der Zunge schmeckte.
Wie Kupfer…
Jiri runzelte die Stirn.
Es war kein Kupfer, und es schmeckte auch nur so ähnlich. Es gab dafür einen anderen Namen.
Blut!
Jiri zitterte plötzlich. Blutgeruch, einfach widerlich, aber nicht wegzudiskutieren. Es war da, er schmeckte ihn, er lag wie ein feiner Film auf seiner Zunge.
Plötzlich war es ihm klar. Wegrennen, fliehen, dieses Haus verlassen, in dem er nur das Grauen und den Tod finden konnte.
Sabka tat es nicht.
Statt dessen bewegte er sich und streckte seine Hand zur Seite, damit er den unteren Lichtschalter fassen konnte. Er brauchte den Schalter nur anzutippen, damit er sich bewegte.
Das geschah.
Zwei Lampen auf den Nachttischen erhellten sich. Sie warfen ihren Schein über die beiden Betten mit den vielen dunklen Flecken darauf. Nein, das war kein Teer. Teer schimmerte nicht rot. Blut!
Blut, wohin er auch schaute.
Ihn schwindelte. Er ging vor. Er suchte seine Eltern. Er schaute zuerst nach links. Dort schlief sein Vater.
Von ihm sah er das nackte Bein mit den roten Streifen darauf. Und plötzlich hielt er es nicht mehr aus. Aus seiner Kehle
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