0739 - Teufelsträume
da wir nicht wußten, was da noch auf uns zukommen würde.
Ich schaute gegen die Fassade.
Sie war dunkel. In der Dämmerung wirkte alles grau. Die erhellten Fenster lagen im Erdgeschoß.
Beide schauten wir hin.
Nichts bewegte sich dahinter. Die Gardinen sahen aus wie dünne Schleier.
Obwohl das Licht eingeschaltet worden war, wirkte das Haus tot und verlassen, doch aus dem Schornstein quoll ein zittriger Bart, der rasch zerfaserte.
Die Haustür bestand aus dickem Holz. Der Wind hatte Schnee gegen die Fassade und auch in die Ecken der Türnische geweht, und die noch extremere Kälte hatte die Masse einfrieren lassen.
Was tun?
Erst schellen oder eine Runde um das Haus drehen?
Wir entschieden uns für das Klingeln. Der Knopf ragte aus dem unregelmäßigen Mauerwerk an der rechten Nischenwand hervor. Ich preßte meinen Daumen auf ihn.
Im Haus hörte ich das Geräusch, ein scharfes Bimmeln, schon ein aggressiver Klang, der uns beide zusammenschrecken ließ. Ich schaute Suko dabei an. »Der weckt Tote.«
»Kann sein.«
Zunächst weckte er nicht einmal Lebende, denn es kam niemand, um zu öffnen.
»Die wollen nicht«, sagte mein Freund, als ich den Knopf zum zweitenmal nach unten drückte.
»Scheint mir auch so zu sein.«
Wir übten uns in Geduld und warteten. Die Sekunden verrannen. Eine halbe Minute verstrich.
Suko verdrehte die Augen. Ich trat unruhig mit dem rechten Fuß auf. Das tappende Geräusch war das einzige in der Stille. Suko drehte sich um, er überblickte den Vorgarten mit den starren Büschen, ohne etwas zu entdecken, denn es war dunkle Nacht geworden.
Dann hatten wir Glück.
Trotz der dicken Haustür vernahmen wir die Tritte im Innern des Hauses. Sie klangen normal, wenn auch zögernd.
Suko nickte mir zu.
Ich lächelte zurück.
Die Spannung wuchs. Es war ein normaler Vorgang, daß jemand nach einem Klingeln die Tür öffnete, in diesem Fall aber nicht. Da hatte ich das Gefühl, dicht vor einer Entscheidung zu stehen. Es würde etwas passieren, es mußte sich einiges tun.
Ein Schlüssel kratzte im Schloß. Ich holte durch die Nase Luft und merkte, wie ich mich noch mehr spannte. Wir standen im Halbdunkel. Das aus dem Fenster strömende Licht erreichte die schmale Türnische nicht einmal als Ausläufer.
Der Knauf, von außen ein dicker, silberner Ball, bewegte sich nicht. Dafür die Tür.
Zuerst nur vorsichtig. Ein dunkler Spalt entstand. In Kopfhöhe schimmerte etwas Weißes.
Das Gesicht gehörte einem Mann.
»Guten Abend«, sagte ich.
Der Mann gab keine Antwort. Es war nur zu ahnen, daß sich ein Mund bewegte. Die folgenden Worte klangen wie ein leises böses Zischen. »Was wollen Sie?«
»Reden!«
»Nein!«
»Fragen!«
»Was denn?«
»Lassen Sie uns bitte ins Haus, Mister. Wir sind zwar fremd, aber wir sind auch Polizeibeamte. Sie können uns trauen. Wir möchten versuchen, Ihnen die Angst zu nehmen.«
Diesmal sagte er nichts. Aber wir hatten ihn überzeugt, denn ein leises Knirschen erklang, als er die Tür weiter öffnete. Der Spalt verbreiterte sich. Gleichzeitig schaltete der Mann das Licht in einem engen Flur an. Die Lampe sahen wir nicht, doch ihr Schein war so schwach, daß er auf sie auch hätten verzichten können.
Suko stand günstiger und ging als erster. Nach ihm betrat ich den schmalen Flur.
Der Mann, der uns geöffnet hatte, wirkte wie eine ängstliche Figur, die jemand in den Schatten hineingestellt hatte. Seine großen Augen schimmerten leicht. Sein Mund stand offen. Wenn er atmete, zischte er.
Er trug eine graue Strickjacke, die ziemlich aus der Form gekommen war. Seine Hose war schwarz wie das straff zurückgekämmte Haar. Sein Blick flackerte, und er drückte sich mit dem knochigen Rücken gegen die rechte Flurwand.
Es roch so ungewöhnlich. Wir schnupperten, was dem Mann auffiel. »Es ist Weihrauch«, sagte er.
»Meine… meine Frau… hat die Stäbchen angezündet, wissen Sie.«
»Und warum?« fragte ich.
Er hob die Schultern. Er tat es mit einer Bewegung, die uns klarmachte, daß ihm sowieso alles egal war. Dieser Mensch erweckte den Eindruck, mit seinem Leben abgeschlossen zu haben.
Das gefiel uns gar nicht.
Er ging zurück und näherte sich immer mehr der einsamen Deckenleuchte, deren Schein sein Gesicht erreichte und uns zeigte, daß sich zahlreiche Falten wie ein Schnittmuster in seine Haut gegraben hatten. Es zeigte uns auch die Angst in seinen Augen, eine blanke Furcht, die tief in seinem Innern stecken mußte.
Dieser Mann stand unter
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