0739 - Teufelsträume
einem Einfluß, einem ungemein starken Druck. Natürlich dachte ich sofort an Luzifer, und Suko erging es sicherlich nicht anders.
Er hatte von seiner Frau gesprochen, die wir nicht zu Gesicht bekamen.
Möglicherweise hielt sie sich in dem Raum auf, dessen Tür nicht geschlossen war. Aus ihm fiel ein Streifen Licht, der sich mit dem vereinigte, das von der Decke sickerte.
Genau dort blieb der Mann stehen. Unter der Lampe, als wollte er sich besonders in Szene setzen.
Er sah jetzt aus wie eine Zeichnung, so dünn und zweidimensional, fast wie ein Schatten.
Und wir sahen nur seine linke Hand. Die rechte Hand hielt er hinter dem Rücken versteckt.
Er atmete laut. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Suko stand dicht neben und auch hinter mir. Als er flüsterte, hatte ich das Gefühl, als würden seine Lippen meine Ohren berühren. »John, der hat irgend etwas vor. Der Knabe ist nicht mehr normal.«
»Möglich.«
Ein leiser Laut erklang. Weinen oder Kreischen? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Der Laut hörte sich jedenfalls auch klagend an, als hätte sich der Mann zu etwas Ungeheurem überwinden müssen und nur darauf gewartet, daß wir erscheinen würden.
Er bewegte seinen rechten Arm.
Sehr schnell und hastig. Wir kamen nicht mit, weil alles so schnell ging.
Etwas blitzte aus seiner Faust hervor, die er blitzschnell in die Höhe führte.
Aus der Faust schaute die Klinge eines Rasiermessers hervor, und damit wollte er sich vor unseren Augen die Kehle aufschneiden…
***
»Für den Teufel!« sagte er laut und deutlich.
Er war schnell, doch er zitterte, und deshalb war mein Freund Suko schneller.
Aus dem Stand sprang er vor. Sein rechtes Bein war nur ein Schatten. Er trat zu und traf haargenau sein Ziel. Suko wirkte wie Chuck Connors in seinen besten Zeiten. Die Fußspitze erwischte die rechte Hand an einer gewissen Stelle und gerade noch im rechten Augenblick. Sie schleuderte sie zusammen mit dem Messer zur Seite. Es kratzte noch über das Kinn und schabte dort ein fingernagelgroßes Stück Haut ab.
Der Mann keuchte, und Suko war bei ihm. Er packte den rechten Arm des Mannes, wuchtete ihn herum und drehte die Gestalt ebenfalls dabei zur Seite.
Der Schmerz ließ ihn leise aufschreien. Er war wichtig, nur so ließ er das Rasiermesser fallen. Es blieb auf dem Boden liegen. Das aus der Wunde tropfende Blut fand durch einen Zufall genau die Breite der Klinge und hinterließ dort rote Flecken.
Im nächsten Augenblick brach der Mann weinend zusammen. Hätte Suko ihn nicht gehalten, wäre er ebenfalls zu Boden gefallen. So drückte ihn der Inspektor mit dem Rücken gegen die Wand, hielt ihn fest und sah, ebenso wie ich, wie dieser Mann schluchzte. Weinkrämpfe schüttelten ihn. Mit ihm war zunächst nicht viel anzufangen.
Suko drehte mir den Kopf zu. In seinen Augen standen Fragezeichen, doch auch ich wußte nicht, weshalb sich diese Person vor unseren Augen selbst hatte umbringen wollen.
Möglicherweise hatte es etwas mit dem Einfluß des mächtigen Luzifer zu tun. Zumindest indirekt.
Direkt hatte ihn sicherlich die Macht des Götzen unter Kontrolle.
»Der ist völlig fertig«, sagte Suko.
»Das kann ich mir denken.«
»Können Sie mich hören?«
Der Mann hatte Sukos Frage zwar gehört, eine Antwort gab er jedoch nicht. Er weinte still vor sich hin und kümmerte sich auch nicht um das aus der Kinnwunde rinnende Blut.
Da in der Nähe eine Tür geöffnet war, drehte Suko den Mann herum. Gemeinsam mit ihm wollte er den dahinterliegenden Raum betreten. Ich war schneller und überwand die Schwelle als erster.
Mir fiel das Kerzenlicht auf. Fünf Kerzen standen um eine Schale herum, die zwischen den beiden Fenstern aufgebaut war. Ihren Platz hatte sie auf einer schmalen Kommode gefunden. Die Kerzen steckten in hohen Leuchtern. In der Schale kokelte oder brannte etwas. Denn aus ihr stieg ein duftender Qualm hervor, der sich im gesamten Zimmer verteilt hatte. Der Mann hatte vorhin von Weihrauch gesprochen, und es war genau dieser Duft, der sich beim Einatmen- auf unsere Lungen legte.
Vor der Kommode saß eine Frau. Sie hatte sich mit dem Rücken gegen das Holz an der Vorderseite der Kommode gedrückt, wie man sie oft auf Bildern sah oder von Krippenfiguren her kannte.
Ich wußte mit ihr nicht viel anzufangen. Auch das Gesicht war kaum zu erkennen, denn sie hielt den Kopf nach vorn geneigt. Hinzu kam das Tuch, das sie sich um das Haar geschlungen hatte. Auch einen Teil des Gesichts verdeckte es. Da
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