074 - MARBU - Die Kraft des Todes
Leiter zu sehen. Ich wollte sogleich meinen Fuß auf die erste Sprosse setzen, doch Mr. Silver griff nach meinem Arm und hielt mich zurück.
»Macht es dir etwas aus, wenn ich da zuerst hinunterklettere, Tony?«
»Marbu ist dort unten«, sagte ich heiser.
»Eben«, sagte der Ex-Dämon.
»Witterst du eine Falle?«
»Man kann nie wissen«, gab der Ex-Dämon zurück. Er musterte mich etwas genauer. »Sag mal, hast du was?«
»Nein. Wieso?«
»Du kommst mir irgendwie verändert vor.«
»Ich bin okay. Mach dir um mich keine Sorgen.«
Der Hüne stieg die Leitersprossen hinunter. Ich folgte ihm, und mein Blut begann wie Champagner zu prickeln. Marbu war zweifellos sehr gefährlich. Doch in welcher Beziehung stand ich zu dieser großen feindlichen Macht?
Ich wollte sie nach Möglichkeit vernichten, wenigstens aber von unserer Welt vertreiben. Aber würde mir das mit Hilfe meiner Freunde gelingen?
Mir war, als könnte ich plötzlich doch in die Zukunft sehen und erkennen, daß unsere Expedition scheiterte. Gab mir Marbu das ein? Sollte ich meine Freunde zur Umkehr bewegen?
Das wäre mir bei Lance Selby und Mr. Silver niemals gelungen. Sie hatten gewissermaßen Blut geleckt und würden den eingeschlagenen Weg entschlossen bis zum Ende gehen. Und, verdammt noch mal, auch ich wollte nicht umkehren.
Mr. Silver und ich gelangten in einen großen Raum. Verflochten und verästelt lagen die Wurzeln des Urwaldriesen bloß. Mir war, als wären mein Freund und ich eingetaucht in eine fremde, irreale Welt.
Obwohl wir uns unter der Erde befanden, war es nicht finster, denn zwischen aufgeschichteten Steinen flackerte ein breites Feuer. Ich schaute in die Flammen, die ständig in Bewegung waren und unruhige Schatten von uns an die Wand warfen - und plötzlich stockte mir der Atem, denn ich sah eine Fratze, die mich höhnisch angrinste.
Die Hörner… Dieses dreieckige Gesicht… Der Ziegenbart am Kinn… Das war Asmodis!
***
»Silver!« zischte ich und wies auf das Feuer.
»Feuer«, sagte der Ex-Dämon und hob die Schultern. »Basanga braucht es für seine Beschwörungen.«
»Das Gesicht in den Flammen. Siehst du es nicht?«
»Nein.« Mr. Silver schaute mich beunruhigt an. »Sag bloß, du siehst auf einmal mehr als ich. Den Eingang in diesen Baum hast du nicht bemerkt.«
Ich starrte wieder ins Feuer. Die Fratze war verschwunden.
Marbu und Asmodis! Gab es da eine Verbindung? War Marbu die Kraft des Höllenfürsten? Oder hatten mir meine Sinne einen Streich gespielt?
Es war auch denkbar, daß mich Marbu irgendwie manipulierte und auf eine falsche Fährte zu locken versuchte.
»Was hast du gesehen, Tony?« wollte der Ex-Dämon wissen. »Was für ein Gesicht hat dir das Feuer gezeigt?«
»Es war die Fratze des Teufels. Sie hat gelebt und mich höhnisch angegrinst.«
»Einbildung«, sagte Mr. Silver. »Asmodis hat mit Marbu nichts zu tun.«
»Bist du sicher?«
»Ich kenne das Höllengefüge ziemlich genau«, behauptete Mr. Silver.
»Du weißt auch, daß es ständig Verschiebungen gibt. Was heute ist, muß nicht für alle Zeiten so bleiben. Es gibt schwarze Welten, die vernichtet werden, andere entstehen. Du wußtest bisher von Marbu nichts, und auf einmal bist du gezwungen, dich damit herumzuschlagen.«
Lance Selby kletterte zu uns herunter, und Mr. Silver erzählte ihm, was ich zu sehen glaubte . Lance tat es nicht mit einem Schulterzucken ab. Seiner Ansicht nach war es nicht unmöglich, daß ich Asmodis gesehen hatte. Marbu war schon schlimm genug. Ich hoffte, daß wir es nicht auch noch mit dem Fürsten der Finsternis zu tun bekamen.
Der Ex-Dämon ging zum Feuer. Die Flammen schienen sich zu ducken. Ich sah, wie die Hände meines Freundes zu Silber wurden, und dann griff er blitzschnell ins Feuer. Ein greller Schrei schmerzte in meinen Ohren. Mr. Silver packte etwas und hob es heraus. Es war ein Kopf!
Aber nicht Asmodis' Schädel, sondern der Kopf von Basanga. Haut und Haare brannten. Mr. Silver stieß seine Silbermagie hinein, und der Schädel zerfiel zu Staub. Der Ex-Dämon nannte es eine magische Spielerei des Marbu-Zauberers.
Lance entdeckte eine primitive Holzkiste, die randvoll mit Opiumkugeln gefüllt war. Er warf sie ins Feuer, um das gefährliche Rauschgift zu vernichten, und die Flammen stürzten sich auch sofort gierig auf die Kiste und deren Inhalt.
Das verdammte Zeug fing an zu qualmen, und ich begriff, daß es - zumindest für mich - gefährlich war, in diesem unterirdischen Raum zu bleiben.
Ob
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