0740 - Todesgruß der Templer
daran, wie der Mann hier erschien.«
»Nicht anders als die übrigen. Er hatte seine Kutte übergestreift und ist…«
»Die Kutte, Suko!« sagte ich hastig.
Er nahm mir den Dampf aus der Antwort. »Sie war normal, John. Weiß mit einem roten Templerkreuz vor der Brust. Sag nur, daß du es nicht gesehen hast.«
»Das schon.«
»Aber?«
»Ich kann es mir einbilden, verdammt, aber er hat die Kutte immer hochgehoben, um nicht zu stolpern. Sie war zu lang, denn bei den anderen paßten sie. Verstehst du?«
Suko schaute mich an, ich sah seine Augen glänzen, dann nickte er. »Ja, John, allmählich zumindest fange ich an, dich zu begreifen. Glaubst du, daß die Kutte nicht ihm gehört?«
»So ungefähr.«
»Dann hat er sie sich angeeignet, sie dem Mann weggenommen, dem sie gepaßt hätte.«
»Du bist auf dem richtigen Weg. Dieser fünfte Typ, der aus bestimmten Gründen zu spät kam, damit er nicht gesehen wird, ist jemand, der nicht zur Bruderschaft gehört. Er ist das teuflische Kuckucksei, möglicherweise die Person, die den Dolch führte, die hinter dieser verfluchten Waffe steht.«
»Womit auch die anderen vier in Lebensgefahr schweben.«
»Davon gehe ich aus.«
Es stand für uns fest, daß wir uns auf dem falschen Platz aufhielten.
Wir mußten an die Templerkirche heran, wollten aber noch nicht hineingehen, sondern durch die Fenster schauen.
In ihrem Inneren war es etwas heller geworden. Kerzenlicht hatte eine Insel in der schwammigen Dunkelheit gebildet. Und das genau würde ausreichen, um uns sehen zu lassen, was sich dort abspielte.
Wir schlichen auf die Kirche zu…
***
Die vier Kerzen standen, und die Mitglieder der Bruderschaft umstanden zu fünft diese Lichtinsel.
Niemand sprach.
Sie alle konzentrierten sich, gingen in sich, wollten sich von den Gedanken befreien, die sie tagsüber beherrschten, wo sie über geschäftliche Dinge grübelten, um alles in die Reihe zu bringen.
Die Treffen aber dienten anderen Zwecken. Sie wollten wieder zu sich selbst finden, sie wollten wieder Menschen sein und auch so handeln, wie es Menschen tun sollten.
Ärmere unterstützen. Projekte mit Geld unterstützen, die sonst keine Chance hatten.
Dafür aber mußte der Kopf frei sein. Dafür wollten sie die alten Tugenden der Templer wieder aufleben lassen. Sie wollten sich nach den früheren Gesetzen richten, um auch an den Tagen danach morgens noch immer in den Spiegel schauen zu können.
Es war ihre Welt, es war ihre Religion, es war auch eine Sühne, die sie auch auf sich genommen hatten.
Frieden…
Sie mußten zunächst den inneren Frieden mit sich schließen, dann erst konnten sie sich um die anderen Dinge kümmern.
So war es immer gewesen, so sollte es auch an diesem Freitagabend sein, aber es war ihnen dabei unmöglich, sich darauf zu konzentrieren. Keiner sprach darüber, jeder versuchte sich zu beherrschen, nur klappte es nicht.
Auch Dean Ellroy spürte die innere Aufgewühltheit, der er nichts entgegensetzen konnte. Die Bilder wollten einfach nicht vor seinen Augen verschwinden. Immer wieder sah er seine Frau tot auf dem Bett liegen. In der dunklen Kirche kam ihm das Bild noch schrecklicher und auch klarer vor.
Er dachte auch an den Dolch.
Aus dem Nichts war er erschienen, hatte sich vor seinem Gesicht materialisiert und ihn auf schreckliche Art und Weise gefoltert, bis hin zum Angriff.
Er konnte ihn nicht vergessen.
Er spürte ihn.
Er merkte, daß etwas geschah. Daß sich in ihrem Kreis einiges verändert hatte.
Es waren nur Strömungen und Gefühle, doch er durfte sie auf keinen Fall unterschätzen.
Da tat sich etwas. Hier waren sie nicht mehr sicher. In das Rund des Kirchenschiffes hatte sich etwas eingeschlichen, das er nicht in Worte fassen konnte.
Wieder sah er die tote Eireen vor sich.
Er schluckte.
Er öffnete den Mund. Dabei senkte er den Kopf, und aus der Kehle drang ein tiefes Stöhnen.
Es war der erste hörbare Laut, der die Stille zwischen den versammelten Männern unterbrach, und er war von jedem der anderen vier verstanden worden.
Die Köpfe unter den Kapuzen bewegten sich. Gesichter, an manchen Stellen bleich, an deren wieder vom Licht der Kerzen überstrahlt, drehten sich Dean Ellroy zu.
»Was hast du?« fragte Sam Langster. Er stand ihm diagonal gegenüber und schaute ihn an.
»Eireen!« brach es aus Dean hervor. »Was ist mit ihr?«
»Sie… sie lebt nicht mehr. Sie ist tot - heute… heute ist sie gestorben…«
Schweigen!
Dumpf, ungläubig und bedrückend.
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